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Gar manchmal, wenn er sie auf dem Boden oder im Keller antraf, hielt er sie fast mit Gewalt fest. Dann aber sah sie ihm nur frei in die Augen, schlüpfte an die Wand und bahnte sich mit einem Ruck den Weg an ihm vorüber.

Nein! So tief konnte sie nicht fallen, wie Mary und andere Mädchen! Sah sie doch nicht selten in der Fabrik, welchen Ausgang solche Liebeleien ihrer Genossinnen nahmen: sie verfielen in Schmach und Schande und keiner mehr gab ihnen ein gutes Wort. Wenn er sie noch heiraten wollte!…

Niemals erwähnte sie dies. Und dennoch wußte sie, dann wäre sie vollkommen glücklich. Dann wohnte sie mit ihm unter einem Dache und könnte für die Leute waschen. Darüber brauchte er sich keine Sorge zu machen; sie könnte sogar noch für ihre Kinder genug verdienen.

Johann aber war, das wußte sie ja, ein Gegner der Ehe. Konnte sie doch niemals vergessen, wie er sie an jenem Abend ausgelacht, da er ihr zum erstenmal vor der Haustür begegnete.

Damals fragte er sie, ob sie auf den „Bräutigam“ warte? Wie konnte sie also auch nur daran denken, daß er selbst dieser „Bräutigam“ sein wolle.

Daher fühlte sie sich totunglücklich in all ihrem Glücke. Wußte sie doch, wie leicht ein Mann verletzt wird, wenn ein Weib ihn zu lange hinhält!

Und schon der Gedanke, Johann könne sich wieder von ihr abwenden und ihr feind werden, brachte sie fast zur Verzweiflung.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/226&oldid=- (Version vom 1.8.2018)