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Ebenso wie seine tadellosen Zähne, die beim Lächeln zwischen den Lippen blinkten, liebte sie seine Blicke, die er ihr bei jeder Begegnung im Hause zuwarf und in denen ihr Instinkt allerlei „schöne Dinge“ erriet.

Oft beobachtete sie, in einer Ecke des Hausflures verborgen, seine stämmige Gestalt, wenn er so gewandt und kräftig den Besen schwang.

Dann bewunderte sie seine unter der etwas zu engen Bluse ein wenig gerundeten breiten Schultern und den gebräunten, teilweise mit blondem Flaum bedeckten Stiernacken.

In gleiches Entzücken versetzte sie seine Stimme, wenn er ihr „lustige Geschichten“ erzählte, von denen sie bisher keine Ahnung hatte.

So wohl war ihr immer zumute, wenn seine sanfte Stimme in ihr Ohr drang, daß ein süßer Schauer sie durchrieselte. Dann vergaß sie sogar seine weißen Zähne und seine breiten Schultern und lauschte, an die Wand gelehnt, seinen Worten und schloß dabei die Augen, um ihn gar nicht zu sehen und alles besser zu hören.

Oft ergriff sie eine förmliche Rührung, gewiß als Anfang von Nervenerregung.

Da sie eine solche aber bisher gar nicht kannte, beschränkte sie sich darauf, die Tränen mit dem Wischlappen zu trocknen und sich eine ganze Reihe abgerissener Sätze zuzuflüstern, als Ausdruck einer Wehmut, die sie jetzt häufiger als sonst befiel.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/183&oldid=- (Version vom 1.8.2018)