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Welche Schenke öffnete solcher Trübsal die gastliche Tür und der heißen Träne, die auf den Fußboden der Kirche fällt?…

Wohin sollte solch ein armes Geschöpf sich begeben, wie Käthe, die so heiß und bitterlich an den Stufen des Altars weinte?

O, sie wußte längst, daß sie nur hier sich ausweinen konnte.

Die ganze Not ihres Lebens, ihre frühe Verwaisung, die schwere Arbeit bei schlechter Kost, die Sehnsucht nach der Welt, den Spott der Leute und endlich – Johanns Gleichgültigkeit gegen sie, – dies alles konnte sie hier beweinen, ohne sich ihrer Tränen zu schämen.

Rings um sie her knieten Weiber, die ebenso traurig waren wie sie und deren Gesichter in der Dämmerung verschwanden, während nur noch die gesenkten Häupter und die auf der Brust gefalteten Hände zu sehen und die tiefen Seufzer mit dem Stoßgebete „O, Maria!“ zu hören waren.

Lange noch lag Käthe auf den Knieen und klagte stumm der Himmelskönigin ihr Leid.

Denn schöne Worte kannte sie nicht, wußte aber, daß die Mutter Gottes derselben nicht bedürfe und auch das Gebet einer armen Magd gnädig hinnehmen werde…

Erst heute hatte Rosa sie so schlecht behandelt, ohne allen Grund. Und das war wirklich fast zu viel des Herzeleids. Aber auch dies wußte gewiß schon die allerheiligste Jungfrau.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)