Und da sie selbst erst spät sich so kräftig entwickelte, begriff sie um so weniger, was jene Mädchen im Blute haben mochten, wenn sie, fast noch im Kindesalter, schon so herangereift waren, daß sie, ihren zarten Körper preisgebend, vorzeitig sich in die Arme des ersten Besten warfen.
Übrigens bestritt sie durchaus nicht, daß das Leben eines immer alleinstehenden Mädchens ungemein traurig und beschwerlich sei, zumal wenn es gar niemand habe, mit dem es Freud und Leid teilen und einmal ausgehen könne.
Aber so ganz ohne Wahl, fast ohne sich zu kennen, einem jeden sich anvertrauen, sich duzen, sich von ihm traktieren lassen und in später Nacht heimbegleiten oder mit ihm auf dem Hausflur herumstehen, wer das tut, der muß entweder Stroh im Kopfe haben oder nicht an die Zukunft denken.
Träfe sie jedoch einen braven Mann in sicherer Stellung, der ihr ehrlich seine Absichten ausspräche, so ginge Käthe gern mit ihm spazieren oder käme abends mit ihm zusammen, um ihn, wenn auch nur auf Augenblicke, wiederzusehen…
Ein „Schatz“, das ist ein Ärgernis vor Gott, – ein Bräutigam, das ist schon etwas anderes, fast ein Ehemann, nur daß die Trauung noch fehlt. Diese aber läuft nicht davon und immerhin kommt solch ein Mädchen nicht in der Leute Mund. –
Die zweite unwillkürliche Sorge Käthes aber war und blieb – Johann.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)