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machte ihn zu einem von der Manie des Geizes heimgesuchten Sonderlinge. In jedem Hausgenossen sah er eine Art von Vampyr, der sein Blut und seine Taschen aussauge und sein in jahrelanger Müh’ und Arbeit erworbenes Eigentum vernichte.

Nachdem er ihr das ganze Verzeichnis vorgelesen, rief er Käthe an den Tisch, reichte ihr Feder und Tinte und zeigte ihr die Stelle unten auf der Seite, wo sie ihren Namen unterschreiben solle.

Beschämt, ohne sich zu rühren, stand sie vor ihm. Schreiben sollte sie? Mein Gott, das hatte sie nicht gelernt, kaum lesen konnte sie. Ihr Mütterchen ließ sie nichts weiter lernen. So lang sie klein war, kümmerte sich niemand um sie, außer, daß man ihr siebenmal täglich zu essen gab. Und als sie heranwuchs, herrschte Not in der Hütte und Käthe mußte in die Fabrik auf Arbeit gehen. Dies alles aber konnte sie doch unmöglich dem Herrn sagen.

Daher drehte sie hartnäckig die Finger, bis die Gelenke knackten, so beschämt war sie und so verlegen. Am liebsten wäre sie samt dem Tische und dem Unglücksbuche in den tiefsten Keller gesunken, um nichts mehr zu sehen von der Gotteswelt.

Budowski wurde schon ungeduldig. Warum unterschrieb sie nicht? Fiel es ihr vielleicht zu schwer, die Verantwortlichkeit für so viele schöne Sachen zu übernehmen? Dann mag sie sich schleunigst einen anderen Dienst suchen! Das Mietsgeld aber muß sie herausrücken und eine andere Magd besorgen.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/095&oldid=- (Version vom 1.8.2018)