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Heiraten wird er sie gewiß niemals!… Und mit größter Geringschätzung pfiff er den Gassenhauer „Mein Herz ist wie ein Taubenschlag“ und gab damit zu verstehen, daß für ihn dies ganze Zwiegespräch beendet sei.

Käthe stand ein Weilchen da und fühlte sich tief beschämt und gedrückt. Weshalb brach er die Unterhaltung so plötzlich ab und verzog den Mund so sonderbar, als er sie ansah? Hatte sie doch nichts gesagt, was ihn verletzen konnte, sondern im Gegenteil die Worte so gewählt, daß sie ihm nicht als gar zu beschränkt und gewöhnlich vorkommen sollte…

Eben schlug es zehn Uhr auf dem Rathausturme. Wie schwere Seufzer fielen die dumpfen Schläge auf die Dächer der schlummernden Häuser. Immer weniger Leute gingen vorüber. Desto mehr Droschken aber rollten zum Bahnhofe. Immer wieder erschienen an der Straßenecke helle Punkte, wie riesige funkelnde Tieraugen, bald größer, bald kleiner, je nach der Bewegung der Droschke.

Aufmerksam verfolgte Käthe diese Lichterchen, in der Hoffnung, endlich werde vor der Tür eine dieser Droschken halten und die Herrin dort aussteigen, um mit ihr zugleich hinaufzugehen.

Dies wäre für sie ein großer Trost gewesen, weil sie allen Fragen des Herrn auszuweichen wünschte, die sie nicht anders, als mit – Lügen beantworten konnte.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/089&oldid=- (Version vom 1.8.2018)