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des Geheimnisses: der in Käthes Jacke verborgene Brief.

Frau Julia vertraute, dem ihr seltsam sympathischen Wesen Käthes unterliegend, deren Händen ihre ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an, unvorsichtig vielleicht, aber geleitet vom weiblichen Instinkte.

Dieses große, sanfte Mädchen mit den offenen, ehrlichen Zügen konnte keinen Verrat im Innern bergen. Vom ersten Augenblicke an fühlte Julia in ihr die Bundesgenossin heraus. Hierbei rechnete sie allerdings auch auf den unangenehmen Charakter des Gatten, der beim ersten Anblick auf jeden einen widerlichen Eindruck machte.

Beim Herausgehen befahl sie Käthe noch, die Lampe anzuzünden und den Samowar sowie die Tassen bereit zu halten, mit den sanften Worten: „Beeile dich, mein Kind.“

Sofort erhob sich Käthe von den Knieen und stand ein Weilchen da, das Gesicht mit den Händen bedeckend.

Mein Kind!

Seit dem Tode der Mutter hatte sie diese Worte nicht vernommen.

Jetzt gehörte sie mit Leib und Seele dieser guten Frau an, deren Stimme unter der niederen Küchendecke noch widerhallte und die Luft mit süßem Duft erfüllte. Mit der Lüsternheit eines Kindes berauschte sich Käthe an diesen Worten, die so klein waren

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/069&oldid=- (Version vom 1.8.2018)