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Bewundernd blickten die beiden jungen Männer sie an, bis der eine ausrief: „Die reine – Karyatide!“

In diesem Ausdrucke verriet sich der Bildhauer. Wie die Hammerschläge einer nach griechischen Mustern gebildeten Hand erschallten dumpf die einzelnen Silben.

„Karyatide!“

Unter dem Klange dieses Wortes schien die halbwüchsige Gestalt in weibisch kokettem grauem Anzuge förmlich zu wachsen an Kraft und Entschlossenheit, als forme sie mit kundiger Hand die Büste dieses Mädchens, dessen regungslose Haltung in ihm die Erinnerung an eine ganze Reihe von riesigen, bis an die vom Gewande verhüllten Hüften nackten Frauengestalten aus Marmor weckte, wie sie oft Palästen als stützende Säulen dienen.

In seinen Augen war dies wirklich eine Karyatide, eine Schwester jener traumhaften Riesinnen, die mit starren Steinaugen so stolz in ihrer Knechtschaft auf Wache stehen und Zentnerlasten tragen auf ihren königlichen Schultern.

Im Halbdunkel des Hofes, umgeben von Heu- und Düngerhaufen, an das graue Gebälk des Viehstalls gelehnt, stand sie da in ihrer harmonischen Schönheit, wie eine altertümliche Bildhauerarbeit, die hier unter den Stallungen aufgefunden wurde.

„Karyatide!“

Als dies Wort die Luft durchschwirrte, erwachte Käthe erst aus ihrem Sinnen. Instinktiv fühlte sie

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/041&oldid=- (Version vom 1.8.2018)