Straße gesetzt, hatte sie kaum noch zwei Gulden in der Tasche. Nachtlager erhielt sie bei ihrer Freundin Rosa, die in einer Milchhandlung diente.
Von dieser Gastfreundschaft mochte sie aber nicht länger Gebrauch machen: Rosa wohnte nämlich in einem kleinen Stübchen mit einem Schneidergesellen zusammen und die Anwesenheit eines Mannes dort war natürlich für Käthe höchst peinlich; es erregte in ihr nie gekannte Wünsche und erfüllte ihr Herz mit seltsamer Angst.
Nein! Dort konnte sie entschieden nicht wieder nächtigen. Was aber sollte sie anfangen, wenn die Dame sie nicht sofort in Dienst nähme!
In diesem Augenblick erschien ihr diese enge, dunkle Küche wie ein stiller, sicherer Hafen und jene geschwärzte Decke wie das Dach, unter dem sie so gern, so gern ihr Haupt niederlegen möchte – !
„Du bist wohl noch sehr jung?“ fragte die Hausfrau mit prüfendem Blick auf Käthes kräftige Gestalt.
„Zwanzig Jahre bin ich schon alt“, erwiderte Käthe und steckte mit nervöser Hast die roten, abgearbeiteten Hände unter die Falten des grauen fadenscheinigen Halstuches.
„Tritt doch näher, daß ich dich besser ansehen kann!“ rief die Frau und erhob sich vom Rohrstuhl.
Käthe aber blieb regungslos mit an die Wand gelehnten Schultern stehen.
Wieder mischte sich der Bote ein, mit der Mahnung: „So gehorche doch, du Närrin, wenn die gnädige Frau dich ruft!“
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/007&oldid=- (Version vom 1.8.2018)