Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Knoke & Dressler: Die Wochenstube

da alle Medikamente in die Milch übergehen und die gestillten Kinder dann ebenfalls leicht an Durchfall erkranken. Leidet eine Stillende an Durchfall, was stets eine Verminderung der Milch im Gefolge hat, so trinke sie dicken Hafer- oder Gerstenschleim, lege sich warme Tücher auf den Leib und vermeide alle süßen Speisen und Getränke.

Das erste Anlegen des Neugeborenen an die Brust soll 8 bis 10 Stunden nach der Geburt erfolgen, da späteres Anlegen am 3. oder 4. Tage für Mutter und Kind große Nachtheile mit sich bringt; für die Mutter, weil leicht Congestionen nach dem Gehirn stattfinden und Schmerzen in der Brust auftreten können; für das Kind, weil dasselbe durch dürftige Surrogate meist genährt wird, z. B. den beliebten Fenchelthee, der das Kind in seiner Ernährung wesentlich herunterbringt.

Man beherzige ferner die Regel, daß man das Kind alle 2 Stunden nur anlegt; jedes öftere Anlegen schadet dem Kinde, da das Kind die zu reichliche Nahrung nicht verdauen kann und leicht an Magen- und Darmkatarrh erkrankt.

Ist es nun absolut unmöglich, daß eine Mutter ihr Kind selbst nähren kann und verbieten es specielle Verhältnisse, daß man eine Amme annimmt, so tritt die künstliche Ernährung mit Kuhmilch in ihre Rechte. Andere Surrogate, wie Schweizermilch, Nestle's Kindermehl, Liebig'sche Suppe, Biedert'sches Rahmgemenge, Voltmer'sche Surrogate und wie sie alle heißen, mögen von Fall zu Fall, wenn die Kuhmilch absolut nicht vertragen wird, oft recht gute Erfolge erzielen, allein in diesen speciellen Fällen wird stets der Arzt das maßgebende Wort zu fällen haben und dieses oder jenes Präparat empfehlen. Das zweckmäßigste Surrogat der Muttermilch bleibt die Kuhmilch, die ihr am ähnlichsten ist, nur weniger Zucker und mehr Käsestoff enthält. Die Gefahren nun, die früher die Kuhmilch in sich trug, daß sie leicht säuerte, daß sie in Gährung überging, daß sie von kranken Kühen herstammte, die an Tuberculose (Perlsucht) erkrankt waren oder Krankheitserreger in sich trugen, die Scharlach und Typhus erzeugen können, alle diese Gefahren sind jetzt vollkommen gehoben, seitdem Prof. Soxhlet in München einen Apparat construirt hat, in dem mit einer fast unfehlbaren Sicherheit jeder kranke Stoff in der Milch vernichtet wird und dem Kinde somit eine keimfreie Kuhmilch, gleich der Muttermilch, die ja auch keimfrei ist, gegeben werden kann.

Diese in dem Soxhlet-Apparat zubereitete Milch ist man im Stande, bei mittlerer Zimmertemperatur 3 bis 4 Wochen, ohne daß sie säuert, zu erhalten. Diese Erfindung von Prof. Soxhlet ist eine der bedeutendsten, die in der Neuzeit gemacht worden ist und die Möglichkeit, daß man mittelst dieses Apparates eine große Zahl von Unterleibskrankheiten der Säuglinge, namentlich die gefürchteten Brechdurchfälle mit Sicherheit wird verhüten können, steht zu erhoffen.

Empfohlene Zitierweise:
Knoke & Dressler: Die Wochenstube. eigen, Dresden 1885?, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wochenstube.djvu/33&oldid=- (Version vom 2.8.2023)