Knoke & Dressler: Die Wochenstube | |
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den Genuß eines täglichen Bades zu gewähren. Die außerordentlich günstige Belebung der täglichen Bäder auf unseren Stoffwechsel, unser Blut und unsere Nerven würden erst allgemein anerkannt werden und ein kleines, einfaches Badezimmer dürfte größeren Nutzen gewähren in einer comfortablen Wohnung, als ein riesiger Salon mit dunklen Tapeten, dick verhängten Gardinen und dicker erbärmlicher Luft darin. – Doch das ist noch Zukunftsmusik! –
Mit großer Sorgfalt behandle man auch die Augen des Neugeborenen. Nie wische man die Augen des Kindes mit dem schmutzig gewordenen Badewasser aus, sondern benutze dazu, wochenlang, stets ein kleines, reines weißes Läppchen, das in einem besonderen Gefäße, das mit reinem Wasser gefüllt ist, liegen muß.
Durch jene einfache Manipulation verhütet man meist mit Sicherheit die gefürchtete Augenentzündung des Neugeborenen.
Sind trotzdem die kleinen Augen noch 1 bis 2 Tage nach der Geburt fest zugeklebt und sondert sich am Tage stets ein gelblicher Schleim in den Augenlidern ab, so hole man sofort seinen Hausarzt, der dann weitere Bestimmungen treffen wird. Noch nie ist ein Auge eines Neugeborenen erblindet, sobald man zeitig Hilfe sich verschaffte.
Ein großer Mißbrauch wird ferner mit den Nabelbinden getrieben. Ist der Nabel nach 4 oder 5 Tagen abgefallen, dann weg mit der Nabelbinde. Fast stets kann man aber sehen, wie monatelang die armen Kleinen mit meterlangen Binden fest eingeschnürt werden und die wichtigen Functionen des Unterleibes dadurch in schonungslosester Weise beeinträchtigt werden. Bedenke man doch, daß der Unterleib bei den Neugeborenen in erhöhtem Maße zum Athmen mit benutzt wird (sogenanntes Zwerchfellsathmen), und erwäge man ferner, wie leicht Störungen auch in der Blutcirculation der Lunge eintreten können, sobald der Leib mit einer Binde fest eingeschnürt ist, Störungen der Blutcirculation, die sich also nicht nur auf den Unterleib selbst, den Magen und die Gedärme, sondern auch nach oben hin, also nach den Lungen und dem Gehirn, erstrecken. Also nochmals, weg mit den thörichten Nabelbinden! Man verwechsele hiermit nicht eine Binde, die einer Nabelpelotte Halt gewähren und das Heraustreten des Nabels verhindern soll.
Ebenso sind die vielen Betten und Bettchen verwerflich, mit denen man die Kleinen hermetisch zudeckt. Warm soll ein Kind liegen, das ist selbstverständlich, aber die jetzige Art sie zuzudecken, bringt die Kleinen in einen constanten Schweiß, der nur schwächend wirkt. Das Rationellste ist, daß man die Neugeborenen spätestens nach 1 Monat von den schweren Betten befreit und sie folgendermaßen bettet: Das Kind liegt auf einer weichen Unterlage; in der Mitte befindet sich eine Gummiunterlage, darüber ein großes, weiches Flanelltuch, darüber wieder die Windel. Dann wird die mittelgroße, weiße, leichte wollene Decke
Knoke & Dressler: Die Wochenstube. eigen, Dresden 1885?, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wochenstube.djvu/30&oldid=- (Version vom 2.8.2023)