Knoke & Dressler: Die Wochenstube | |
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Würdigung dessen führe ich aus meinen Versuchen über den Verlauf des Milchsäuerungsprocesses Folgendes an: Frische Milch von guter Haltbarkeit gerinnt freiwillig, bei den folgenden Temperaturen in den folgenden Zeiten: bei 32° C. in 19, bei 30° C. in 21, bei 25° C. in 29, bei 20° C. in 48, bei 17½° C. in 63, bei 15° C. in 88, bei 10° C. in 208 Stunden und bei 0° etwa in 3 Wochen. Bei der mittleren Zimmertemperatur von 17½° C. gerinnt ganz frische Milch von schlechter Haltbarkeit in circa 40, Milch von guter Haltbarkeit in circa 60 und Milch von sehr guter Haltbarkeit in circa 72 Stunden.
Gekochte Milch ist um circa 60 Proc. länger haltbar als ungekochte Milch, und zwar ist es gleichgültig, ob die Milch nur einmal aufgekocht oder in offenen Gefäßen ½ Stunde im Sieden erhalten wird.
Durch Zusatz von nur 1/10 Proc. in Säuerung begriffener eben noch ungeronnener Milch wird die Haltbarkeit der Milch um 60 Proc. verringert.
An diese Mittheilungen anknüpfend, erinnere ich nun an die so häufig wiederkehrenden Klagen über die „Scheererei“, die man bei der Ernährung der Säuglinge mit Kuhmilch hat, daß heute oder gestern die Kindermilch schon wieder geronnen sei!
Nun frage ich, was muß der Milch alles angethan werden, daß sie abgekocht innerhalb 24 Stunden im Hause gerinnt! Da sich ja doch gezeigt hat, daß ungekochte Milch von schlechter Haltbarkeit bei Zimmertemperatur erst nach 40 und solche von guter Haltbarkeit erst nach 60 Stunden gerinnt. Und wie oft mag dann dem Kinde eine Milch gegeben worden sein, der man die Verderbniß durch erfolgte Gerinnung noch nicht ansehen konnte, die aber schon in voller Zersetzung begriffen war! – Wenn ich von der Infection der frischen Milch durch alte Milchreste, also Unreinheit der Gefäße, ganz absehe, so kann doch gesagt werden, daß gegen den ersten Grundsatz der Milchbehandlung: kühle Aufbewahrung der Milch, am meisten gesündigt wird. Eben abgekochte Milch, von deren Conservirung durch Kochen man überhaupt nur dann etwas erwarten darf, wenn sie sofort nach dem Kochen abgekühlt wird, stellt man, und zwar bedeckt, „damit keine Fliegen in den Topf fallen,“ auf den hohen Küchenschrank, wo Bruttemperatur herrscht; oder man erhält sie gar des Nachts über trinkwarm, also wieder bei Brutofentemperatur. Für letzteren Zweck giebt es sogar besondere Vorrichtungen, die wohl von sorglosen Müttern und Wärterinnen als recht „praktisch“ bezeichnet werden mögen, die aber in Wirklichkeit richtiger „Mordinstrumente“ genannt zu werden verdienen. Ich meine damit die Milchwärmer mit Nachtlichtbeheizung und die Wärmeflaschen mit Vertiefungen für die Milchflaschen. Ich erinnere hierbei an die früher mitgetheilten Daten über den Einfluß der Temperatur auf die Milchzersetzung und wiederhole, daß die Milch bei 35° C. um 330 Proc. rascher als bei 17½° und um 460 Proc. rascher als bei 15° C. säuert, daß bei 35°
Knoke & Dressler: Die Wochenstube. eigen, Dresden 1885?, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wochenstube.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2023)