Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten | |
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VIII | Vorwort. |
Unter diesen Umständen blieb mir, als ich vulgärarabisch
lernen wollte und musste, nichts anderes übrig, als von vorne
anzufangen und in all und jedem direct aus der Quelle zu
schöpfen d. h. zu hören, wie die Araber sprechen, und es
dann ebenso zu machen. Ich zog mich deshalb aus dem
europäischen Viertel Kairo’s in das arabische zurück, begann
als Araber zu leben und von früh bis spät auf der
Sprachjagd zu sein. Um überall, sofort und unbemerkt mir
alles notieren zu können, gewöhnte ich mir an, mit einem
kleinen, in der Hand verborgenen Bleistift, ohne hinzusehen,
auf die Manschetten zu schreiben; das so Zusammengebrachte
wurde abends in die Sammlungen eingetragen. Auf diese
Weise konnte ich selbst in grösserer Gesellschaft unbelästigt
meine Aufzeichnungen machen, und fast das ganze in diesem
Buche niedergelegte Sprachmaterial hat zuerst auf den Manschetten
gestanden. Denn um wirklich gründlich und gewissenhaft
zu verfahren, musste ich mir zur Regel machen,
nur meinen eigenen Ohren zu glauben und nur das aufzunehmen,
was ich wirklich selbst gehört hatte, da ich bald sah,
dass niemand bis jetzt den ägyptischen Dialect ruhig und genau
beobachtet hatte. Niemand konnte ihn in der That auch
so beobachten; denn dazu gehört Zeit, und hätte mich mein
Geschick nicht auf Jahre unter die Araber verschlagen, so
würde auch ich dazu nicht im Stande gewesen sein. Monatelang
habe ich oft auf der Lauer gelegen nach einer einzigen
Form, wartend bis sie mir frei und spontan entgegengesprochen
würde, ohne dass der Sprechende durch Fragen seine sprachliche
Unbefangenheit verloren hätte; endlich erschien sie und
sofort wurde sie auf der Manschette fixiert. Durch geschickte
Gesprächswendungen, durch eine planmässige Führung der
ganzen Unterhaltung kann man allerdings viel erreichen; allein
nur durch geduldiges Warten kommt man zum Ziele, und doch
wird auch jetzt das Sprachbild noch nicht ganz vollständig
sein. Noch immer fehlen einzelne Formen; stets noch wird
es syntactische Constructionen geben, die mir nicht zu Ohren
gekommen sind. Allein ich kann nicht mehr geben als ich
habe; und so gross das Gewicht der Verantwortung auch ist,
das ich hiemit auf meine Schultern lade, ich bin gezwungen
nochmals zu erklären, dass nur das in diesem Buche zu finden
Wilhelm Spitta: Grammatik des arabischen Vulgärdialectes von Aegypten. J. C. Hinrichs, Leipzig 1880, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_Spitta_-_Grammatik_des_arabischen_Vulg%C3%A4rdialectes_von_Aegypten_(IA_grammatikdesara00spitgoog).pdf/20&oldid=- (Version vom 4.6.2022)