Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/95

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

 Löhe begehrte mit seinen ihm allmählich erst aus der Schrift erwachsenen Anschauungen nicht vorschnell abzuschließen; er gab sich auch der Hoffnung hin, daß Missouri sich gleichfalls für einen schriftgemäßen Fortschritt der Erkenntnis in diesen Fragen offen erhalten werde. In dieser Hoffnung schloß er den Bericht über sein Gespräch mit den beiden Delegaten mit den Worten: „Liebe Brüder, für euch und mit euch gehen wir gern! Uns und euch vereinige Jesus und sein Geist auf ewig.“ Freilich täuschte er sich in dieser Hoffnung. Die missourischen Delegaten erklärten ihm nachmals, daß sie allerdings in der obschwebenden Frage bereits abgeschlossen hätten, in der Überzeugung, daß die Lehre in den betreffenden Punkten bereits durch die Symbole der lutherischen Kirche entschieden sei. Wenn dennoch auch die missourischen Delegaten die Hoffnungen Löhes auf Herstellung eines völligen Einverständnisses teilten, so geschah es in der Erwartung, daß Löhe schließlich ihrer Meinung zufallen werde. Zwei verschiedene Standpunkte begegneten sich hier, der des Traditionsprincips und des Schriftprincips. Von missourischer Seite wurde ersteres scharf in der Forderung formuliert, daß man, ehe man selbst in der Schrift suchen wolle, sich erst kindlich einfältig zu den Füßen der alten lutherischen Lehrer setzen und sie hören müsse, und daß Lutheraner als solche nicht ihre Symbole nach der Schrift, sondern die Schrift nach ihren Symbolen auszulegen hätten.[1] Löhes Standpunkt hingegen spricht sich in einem Brief vom 1. Juli 1853 an Pastor Großmann in folgenden bezeichnenden Stellen aus. Nachdem er anerkannt hat, daß Walthers Lehre diejenige Luthers und der ihm in diesem Stück folgenden Theologen sei, fährt er fort: „Ebenso gewiß aber ist es, daß anerkannt lutherische Theologen und zwar gerade die, welche die Vorkämpfer


  1. „Wie aber dann, – fragte Grabau mit Recht – wenn über die Symbole und ihre Auslegung selbst Streit entsteht?“ Eben dies war ja der Fall in der Amtsfrage.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/95&oldid=- (Version vom 1.8.2018)