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latent vorhanden wäre? Und was hier folgerungsweise erschlossen wurde, das schien mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit in der bekannten Stelle des tractatus ausgesprochen: Vera ecclesia, quae quum sola habeat sacerdotium, certe habet jus eligendi et ordinandi ministros (M. p. 342). Es blieb nur noch der Beweis zu führen übrig, daß an all den einschlägigen Stellen unter ecclesia die gläubige Laiengemeinde mit Ausschluß der Amtsträger gemeint sei. Man machte sich diesen Beweis ziemlich leicht durch Berufung auf die gleichfalls im tractatus sich findende Stelle: „Paulus exaequat ministros et docet ecclesiam esse supra ministros“ (M. p. 330). Man übersah hierbei nur oder wollte nicht sehen, daß der engere Begriff von ecclesia (= gläubige Laiengemeinde, wofür sich sonst, z. B. M. p. 342 N. 70 der Ausdruck populus gebraucht findet) nur da zur Anwendung kommt, wo der ecclesia ausdrücklich die ministri gegenüber gestellt sind, daß aber in allen andern Fällen die letzteren unter den Begriff ecclesia stillschweigend, weil naturgemäß mitbefaßt sind. Aber eben diese willkürlich verengerte Begriffsbestimmung von ecclesia war die Voraussetzung (nach unsrer Überzeugung allerdings das πρῶτον ψεῦδος), mit welcher man missourischerseits an die Auslegung der symbolischen Stellen ging. Unter dieser Voraussetzung stimmten dann Äußerungen, wie die oft angeführte des Tractatus M. p. 333, 24: Claves non ad personam unius certi hominis, sed ad ecclesiam pertinent; Christus tribuit principaliter claves ecclesiae et immediate völlig mit der missourischen Amtsdoktrin überein. Die Wahrnehmung, daß an der zuletzt angeführten Stelle es sich gar nicht um den Gegensatz von Amt und Gemeinde handelt, daß dort vielmehr Petrus resp. sein angeblicher Nachfolger und die Gesamtkirche, die ja doch das Amt, wie die Gnadenmittel in sich trägt, einander gegenübergestellt sind, hätte sich bei vorurteilsloser Betrachtung der symbolischen Stellen auch einem missourischen Auge

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)