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muß berufen aus der Gemeinde, Gott gebe, er werde von Tito bestätigt oder nicht.“ Wie weit Luther davon entfernt war, in jenem Brief an die Böhmen eine Theorie über die ordnungsmäßige Übertragung des Amtes aufzustellen, geht daraus hervor, daß er sich jenes außerordentliche Recht der Gemeinde (aus ihrer Mitte einen durch Gebet und Handauflegung zum Bischof, d. h. Pastor zu berufen) auf den Ausnahmefall beschränkt denkt, wo es sich um Herstellung eines neuen, auf andere Weise nicht zu gewinnenden geistlichen Ministeriums handelt, während er nach Beseitigung dieses Notstandes Rückkehr zu der alten Ordnung anrät, wonach die von der Gemeinde (extraordinarie) gewählten ministri verbi das Amt andern befehlen sollten, „doch mit Zustimmung der Gemeinde.“ (Quomodo non multo magis jus ac praeceptum habebit tota aliqua universitas, id officii communibus suffragis alieni uni vel pluribus vice sua committere et illi deinceps aliis, accedentibus iisdem suffragiis?) Dazu kommt, daß Luthers eigene Praxis den von ihm in dem Brief an die Böhmen entwickelten Grundsätzen nicht entsprach. Als ihn der päpstliche Legat Vergerius im Jahre 1537 fragte, ob sie (die Protestanten) auch Priester weihten? antwortete er bekanntlich unter Hinweis auf den mitanwesenden Dr. Pomeranus: „Quoniam pontifex et episcopi nobis omnem ordinationem denegant, ipsi mandato divino consecramus et ordinamus.“ Offenbar war es also von seiten Missouris ein Irrtum, aus dem Notrecht vermittelst einer Reihe verstandesmäßiger Konsequenzen eine allgemein gültige Theorie von der Entstehung des geistlichen Amtes ableiten zu wollen.

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 Zu leugnen ist freilich nicht, daß die in dem Brief an die Böhmen ausgesprochene individuelle Anschauung Luthers auch in einige (nicht alle) Stellen der symbolischen Bücher Eingang gefunden hat. So kann man aus dem Tractatus de Pot. et Prim. Papae, namentlich aus dem Abschnitt „von der Bischofen Gewalt

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)