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wie Laien, mit ihm teilten, diente seinen ungemessenen Ansprüchen als Unterlage. In der Auswanderungsordnung, welcher sich alle Mitglieder der Stephanschen Reisegesellschaft unterwarfen, ist § 2 zu den „Gnadenmitteln“ (!) und zwar an erster Stelle, vor Wort und Sakrament, „das Amt der Versöhnung“ gerechnet. Dem Ehrgeiz Stephans genügte indessen eine aus solchem Amtsbegriff fließende priesterliche Machtstellung noch nicht. Sein Sinn stand nach der bischöflichen Würde. In der That ließ er sich dieselbe noch während der Seereise übertragen und bald nach seiner Ankunft in St. Louis auch die Insignien seines neuen Amtes: Inful, Krummstab, Brustkreuz etc. anfertigen. Ebenfalls noch während der Reise nach St. Louis, auf dem Dampfboot, welches einen Teil der Auswanderergesellschaft den Mississippi hinauftrug, ließ er von allen Erwachsenen, Männern und Frauen, eine Unterwerfungserklärung unterschreiben, welche an knechtischer Demut nichts zu wünschen übrig ließ. Die Unterzeichner gelobten in diesem Schriftstück unter anderm, daß sie „den Anordnungen, Verfügungen und Maßregeln, die Se. Hochwürden treffen würden, in kirchlicher, sowie in kommunlicher Hinsicht sich mit christlicher Willigkeit und Aufrichtigkeit unterwerfen und dieselben nicht als ein lästiges Joch, sondern als Beförderungsmittel ihrer zeitlichen und ewigen Wohlfahrt ansehen wollten.“ Bis zu solchem Grade waren diese Leute von Stephan geknechtet und verzaubert worden. Es läßt sich daher denken, welches Entsetzen alle Gemüter lähmte, als Stephans Heuchelei plötzlich entlarvt und seine schweren Sünden offenbar wurden. Zwar wurde er nun abgesetzt, aber der Unwille der so schwer getäuschten Gemeinde richtete sich, wie leicht begreiflich, auch gegen die in Stephans Gefolge befindlichen, an seinen Sünden jedoch unschuldigen Geistlichen, und diese hatten unter der Last des Mißtrauens und der Schmach, welche auf das von Stephan so sehr geschändete Amt fiel, fürs erste einen schweren Stand. Es gehörte ein ungewöhnlicher

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)