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Schläuche zu sprengen und mit allen geschichtlichen Beständen in Staat und Kirche aufzuräumen drohte, mithin auch der Amts- und Verfassungsfrage eine unmittelbar praktische Bedeutung zu verleihen schien, bestärkten Löhe nur in den gewonnenen Überzeugungen. So veröffentlichte er denn seine Aphorismen, die von sog. gnesiolutherischer Seite starkem Widerspruch begegneten, weshalb er teils zur Berichtigung, teils zu tieferer Begründung seiner dortigen Aufstellungen im Jahre 1851 die neuen Aphorismen folgen ließ, bei deren wesentlichen Resultaten er bis an sein Ende beharrte. Sie enthalten sein aus Schrift und Erfahrung ihm zur Lebensüberzeugung gewordenes Zeugnis von Kirche und Amt.

 Wir glauben hier auf eine eingehendere Würdigung beider Schriften verzichten zu dürfen, da der weitere Verlauf unsrer Darstellung ohnehin Veranlassung genug bieten wird, Löhes Überzeugungen im Streit mit den gegnerischen Anschauungen zu Worte kommen zu lassen. Beginnen wir mit der Darlegung der letzteren.

 Die Anschauungen der Synode Missouri von Kirche und Amt sind ihr aus ihrer Geschichte und ihrer synodalen Erfahrung erwachsen. Den Stamm der Missourisynode bildeten die unter M. Stephan im Jahr 1838 nach Amerika ausgewanderten sächsischen Lutheraner. Dieser Mann, einst ein leuchtender Morgenstern in der Kirche Gottes, war innerlich bereits tief gefallen, als er den Entschluß faßte, mit einer Schar seiner ergebensten Anhänger, Geistlichen und Laien, nach Amerika zu gehen, um „in den Vereinigten Staaten ein Asyl für die lutherische Kirche zu suchen.“ Von Natur despotisch angelegt, durch den von seinen blind ergebenen Anhängern mit seiner Person getriebenen Kultus an absolutes Regiment gewöhnt, trug er sich mit den ausschweifendsten hierarchischen Plänen, die er in jenem freien Lande, in welchem der Staat sich nicht um die Kirche bekümmert, am ungestörtesten hoffte verwirklichen zu können. Ein fast römischer Amtsbegriff, den seine Anhänger, Geistliche

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)