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seinem neugebornen Kinde der Gefahr des Hungertodes preisgegeben. Allein die Wilden, von denen dazumal noch keiner ein Christ war, merkten die Not und teilten ihr Letztes mit der darbenden Familie. Es läßt sich denken, wie sehr diese Not und die von den Indianern erfahrene menschenfreundliche Teilnahme die Herzen der Indianer und der Missionarsfamilie einander näher brachte. Als im Lauf der Jahre ein Christengemeindlein sich gesammelt hatte, wurde das Band der Liebe ein noch innigeres und heiligeres. Tiefe Betrübnis erfüllte daher die Gemüter, als im Jahr 1853 ein an Missionar Baierlein ergangener Ruf nach Ostindien die Trennung von Bethanien notwendig machte. Einer der treusten Christen, der zugleich dem Hause des Missionars mit warmer Anhänglichkeit zugethan war, Pemagojin mit Namen, erklärte, er könne und werde die Abreise des Missionars nicht sehen. Zwei Tage vor der Abreise erschien er wieder, wie so oft, in Jagdrüstung im Missionshause. Wieder rauchte er still seine Pfeife, nur sein Haupt war tiefer gesenkt als sonst. Dann stand er rasch auf, und ohne ein Wort zu sagen, umarmte er stürmisch den Missionar, drückte ihn fest an seine Brust, küßte ihn, eilte zur Thür hinaus und war im Walde verschwunden.

 Beim letzten Gottesdienst hielten sich die Männer tapfer, sie saßen da mit tief gesenktem Haupt. Die Frauen schluchzten laut. Darauf ging es zum Fluß hin. Viele Indianer bestiegen ihre Kähne zur Begleitung der Reisenden. Unter dem Gesang des Liedes: „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ bestieg der Missionar den Kahn. Seinem Auge war Bethanien bald entschwunden, seinem Herzen blieb es unvergeßlich.

 Baierleins Weggang von Bethanien war für die Indianer-Mission ein Verlust, für den, wie es scheint, kein völliger Ersatz beschafft werden konnte, wiewohl treue Männer (Mießler u. a.) noch eine Zeit lang seine dortige Thätigkeit fortsetzten. Äußerlich betrachtet

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)