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an sie sagen konnte: „Meine teuren Kinder, die ich jahrelang mit Milch und süßer Kost, ja auch mit der Speise der Erwachsenen genährt habe, Ihr seid mein Brief an die Heiden.“ An ihrem


    meinen sieben Geschwistern unter manchem Leid heran, meine Mutter blieb Witwe. Im Jahre 1830 wurde ich konfirmiert, und empfing das heilige Abendmahl; der Unterricht machte leider keinen großen Eindruck auf mich, ich lernte nicht mehr, als wie Jakobi 2 steht. Dann verlebte ich mehrere Jahre, und genoß die Freuden dieser Welt, ja wenn ich sagen darf, die Leiden dieser Welt, bis zum Jahr 1839. Dann kam Unruhe in meine Seele durch einen Kameraden, ich besuchte mit ihm die Kirche in Neuendettelsau; dann entstand ein Krieg in mir, aber die Welt und der alte Mensch, das Fleisch, suchten den Sieg davon zu tragen; ich verlebte noch einige Jahre in der Unruhe meiner Seele, weil ich dem Ruf des guten Hirten nicht folgen wollte, aber der barmherzige Heiland läßt sein verlorenes Schäflein nicht, und da ich den Stab Sanft nicht fühlen wollte, so schwang er den Stab Wehe über mich, ich kam dann in große Anfechtung; ich erkannte meine Sünde, sahe aber keinen Helfer, ich heulte vor Unruhe meiner Seele Tag und Nacht, ich winselte wie ein Kranich. Die Angst meiner Seele war so groß, daß sie mich oft in Flur oder Haus jagte, wie ein Jäger das Wild. In meiner Not schrie ich zum HErrn, aber Er hörte mich nicht, und so mußte ich die Qualen der Hölle eine geraume Zeit fühlen. Kein Helfer war zu finden auf der ganzen Welt, ich glaubte verloren und verstoßen zu sein, aber der am Kreuz auch für mich hing und blutete, sagte: nein, sondern Er habe mich nur einen kleinen Augenblick verlassen. Der das Schreien der Raben hört, der hörte auch mich wieder, der barmherzige Samariter ergriff mich bei der Hand, und führte mich in die Herberge nach Neuendettelsau, und dieser Herbergsvater nahm sich meines Jammers und Elends herzlich an; er verband meine verwundete Seele und goß den Balsam des göttlichen Wortes darein. Er pflegte mein treulich und begoß mein von der Anfechtung verdorretes Herz immer und immer, daß mich die Hitze der Anfechtung nicht gar verzehrete. Er unterrichtete mich im Worte Gottes, und so kam der Friede Gottes auf mein verdorrtes Herz und erfrischte mich wie der Tau aus der Morgenröte, und so wuchs ich dann als ein neugeborenes Kind heran, und da nun die Zeit kam, wieder fort zu gehen, und ich noch schwach war im Glauben, so nahm sich dieser Herbergsvater abermals meiner an, und dingte mich zu seinem Knecht, so blieb ich denn 21/2 Jahre in dieser Herberge; Gottes Wort lernte ich da schätzen, daß ich wohl mit [41]

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)