Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/342

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

an ihnen zu tragen –, aber er war auch immer bereit, den ersten Schritt zur Herstellung des Friedens und brüderlichen Einvernehmens zu thun. Er setzte z. B. für die Freunde in Dettelsau monatliche Abende in seinem Hause an, die Gelegenheit geben sollten zu brüderlicher Aussprache zur Wegräumung von Anstößen, zur Pflege der κοινωνία (der christlich-brüderlichen Gemeinschaft), die ihm freilich etwas Anderes und Höheres als Freundschaft und Geselligkeit war. Den Geringsten um Verzeihung zu bitten, wenn er meinte oder merkte, ihm Unrecht gethan zu haben, fiel ihm nicht schwer. Bevor er – bei den dreiwöchentlichen Communionen im Dorfe – Privatbeichten hörte, beichtete er selbst privatim. In das ernsteste Selbstgericht aber gieng er mit sich, wenn er vor seinem Gott sich demütigte und seine Seele in den Staub legte. Manche Bußgebete in seinen Tagebüchern zeigen jene „wurzelhafte Selbstschau“, die die Sünde bis in die geheimsten Falten des Herzens und bis auf ihre leisesten Anfänge zurückverfolgt. Wie er es einmal in einer Beichtrede für ein Zeichen wahrer Bußfertigkeit erklärte, daß man den Vorwurf des Bruders nicht heftig abweise, oder vornehm gleichgültig einstecke, sondern ihn Anlaß zur Selbstprüfung, zum Selbstvorwurf und Selbstgericht der Buße werden lasse, so nahm er auch von den Brüdern seiner Umgebung, über die er geistig doch alle um mehr denn Haupteslänge hinaus ragte, Vorstellung nicht blos, sondern Vorhalt und Zurechtweisung an. Es fehlte ihm nicht an mehr denn Einem censor und admonitor. Aber noch wenige Tage vor seinem Tode rühmte er einem derselben trotzdem oder ebendeshalb „wahre Freundestreue“ nach.

.

 Doch genug. Der Verfasser fühlt kein Bedürfnis, nur zum Zweck der Widerlegung oder Abschwächung des oben erwähnten Tadels, dem Bilde Löhes noch einige Schattenstriche mehr beizufügen. Für den Beweis aber, wenn er noch nötig sein sollte, genügt das Gesagte, daß Löhe sich ernstlich selber richtete und lebend und sterbend

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/342&oldid=- (Version vom 1.8.2018)