Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/334

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Seht ihn, euren lieben, alten Leitstern, wie er euch grüßt, seine alte Gemeinde.

 Aber er hat euch nicht blos geleuchtet als ein Stern, er war auch ein Priester, der euch anführte zum Opfer. Ihr habt einen großen Lehrer gehabt, aber er war mehr als ein Lehrer, er war ein Priester in einer Zeit, wo es allenfalls noch Lehrer, wenn auch wenig gegründete, wenn auch wenig solche, denen der Geist die Zunge regt, aber kaum noch Priester gibt. Er war eine priesterliche Seele. Das erste Opfer, das viel höher steht als das Gabenopfer, das ist das Opfer des Odems, das Lobopfer, das der inbrünstigen Seele entströmt. Denkt ihr da nicht an ihn, den Mann, der auf Kanzel und Altar nicht walten konnte, ohne daß sein Odem ausströmte wie eine Flamme? Das war keine Manier, keine angenommene Art bei ihm. Es war die Flamme der Seele, die sich entweder opferte im Beruf gegen die Gemeinde, oder Gott sich opferte im Amte.

 Das Lobopfer der Lippen, das Dankopfer der Seele: das ist das rechte, das größte Opfer. Die Gaben sind nur das Holz, der Odem der Seele ist das Feuer, das über dem Holze lodert. Dieses Opfer der Lippen, die den Namen des Herrn bekennen, hat er geopfert lebenslang. Und wie wird er es nun droben opfern in Vollkommenheit. Er hat einmal gesagt, hier auf Erden sei ihm die Gabe des Singens versagt, aber droben wolle er ein Hauptsänger sein. Und wie wird er droben singen in vollem Chor: „Ich freue mich eine große Freude, sehr groß“ (Matth. 2, 10). Dieses Lobopfer ist schon ein Selbstopfer im heiligsten Sinn, wie wir arme Menschen es eben hier bringen können, wo wir selbst den Leib noch nicht in unsrer Gewalt haben und an ihm tragen, wie an einer fremden Last. Doch nicht blos das Opfer des Odems, auch das Opfer des Leibes und Lebens hat er gebracht: der Mann, wie ich noch keinen gesehen habe,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/334&oldid=- (Version vom 1.8.2018)