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 So ausführlich ist er indes selten in der Wiedergabe der Eindrücke, die er von Natur und Kunst empfieng. Das Malen und Ausmalen mit Worten war ihm zu kleinlich. Meist genügen ihm ein paar knappe Pinselstriche, um das Charakteristische einer Landschaft hervorzuheben. So, wenn er die Herrlichkeiten von Cannes schildernd sagt: „Vor uns das Esterellgebirge, an dessen Fuß der blaue Busen und Hafen und das mit Villen übersäete Gelände; die Rosen blühen, desgleichen Citronen und Orangen, herrlicher Duft und ein Ansehen der Landschaft wie von Herbst und Frühling zusammengesetzt. Sie sagen aber, es sei Winter, obwol man bei offenem Fenster arbeitet.“

 Ein großer Genuß, an dem er sich in der Erinnerung oft noch labte, war ihm eine Meerfahrt von Cannes nach den nahegelegenen Lerinischen Inseln: der Insel St. Marguerite mit ihrem Fort, in welchem damals die von den Franzosen in Algerien besiegten Beduinen- und Araberhäuptlinge interniert waren, und der Insel St. Honorat, von deren marmornen Ruinen aus er „über den Golf Juan hinüber blickte auf die wunderschönen Höhen des Esterellgebirgs und die hinter ihnen sich erhebenden Seealpen, beim strahlendsten Sonnenschein, unter dem Farbenspiel des schönen Meeres und später der Abendsonne.“

 Der Rückweg von Cannes führte ihn über den Col di Tenda, von wo aus er „in das schöne, grüne, von schneeigen, strahlenden Bergen begrenzte Land Piemont“ hinabsehen konnte, nach Turin und Mailand, wo er auch den Turm des marmornen Doms erstieg. „Was sahen wir im Dom für Stickereien,[1] kirchliche! –


  1. Löhe ist auch bewundernd vor der Sixtinischen Madonna Raphaels in Dresden gestanden. „Je länger ich schaute, sagt er, desto mehr erfreute mich das Bild. O der Christusknabe Raphaels und diese dienende hohe Magd, die ihn trägt. Die Holbeinische Madonna konnte mir nach jener nicht so sehr zu Herzen gehen.“
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/316&oldid=- (Version vom 1.8.2018)