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dichtgedrängte Menge horchte lautlos dem feiernden Prediger zu. Die Predigt über die Himmelfahrtsgeschichte war sehr einfach, bewegte sich nur in den gewöhnlichsten Himmelfahrtsgedanken aller christlichen Prediger. Aber sie war gut, feiernd vorgetragen. Man spürte, wie alles horchte – ich insonderheit spürte, wie groß und schön und erhaben auch die einfachste Himmelfahrtspredigt des einfachsten Himmelfahrtspredigers sein kann. Nichts Unrichtiges. Alles war mir aus der Seele und in die Seele geredet. Ich mußte gehen, der Bahn wegen, ehe die Predigt völlig zu Ende war; aber was ich hörte war – Nachfeier nicht blos, sondern – würdiger zweiter Teil meiner Feier. Wolken, Glocken, Natur und Zürich predigten zusammen den ersten Teil. Habe ich schon so einmal Himmelfahrt gefeiert, obschon der Prediger vom Sacramente und dessen Zusammenhang mit Himmelfahrt nichts sagte noch verstand? Ich war nicht in der Kirche, zu der ich gehöre und gehören muß durch den Drang meiner Seele. Aber ich war dennoch unter Christen und freute mich der Einigkeit in der Anbetung Jesu. Schon als alle Glocken läuteten, sagte ich: Das ist Union! Hernach sagte ichs wieder. Im vollen Bewußtsein dessen, was fehlte, war ich doch voll Gemeinschaft mit allen denen, die Jesu Ehrentag feierten und Ihn in Seiner Auffahrt anbeteten.

 Wir fuhren dann weg über Aarau... nach Neuenburg. Die erste Hälfte des Wegs durch die geschmückte, frühlingshafte Welt war eitel Nachhall der Himmelfahrtsfeier. Ach, wie schön ist dies Land. Der Bieler und Neufchateler See ist nicht mehr „die Schweiz“; aber dennoch, dennoch. Neuenburgs größte Zier ist die große, weiße Alpenkette. Wie schön war das Abendlicht auf den Bergen! Wieder hielt eine leuchtende Himmelfahrtswolke über den Gletschern, bis die Sonne unten war. Der Abend schloß sich wieder an den Morgen. Ein Fürst unter meinen Himmelfahrtstagen. Großen Dank für den edlen Tag, Du großer und treuer HErr!“

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/315&oldid=- (Version vom 1.8.2018)