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nicht in der Zeit notgedrungener Erholung, wenn er den Gurt der strengen Berufsarbeit löste. Vollends die christliche und geistliche Haltung, für manchen ein Ehrenpanzer, den er abschnallt, wenn er das Reisekleid anzieht, verließ ihn auch auf Reisen nie. Das während einer Reise und eines Badeaufenthaltes in Ragaz 1861 entstandene Gebetbuch für Fremdlinge und Reisende, „Raphael“[1] betitelt, zeigt, wie er auch das Reisen unter den geistlichen Gesichtspunkt zu stellen und es sub specie aeternitatis zu betrachten strebte. Es sei hier nur erinnert an das schöne Gebet um rechte Freiheit vom Beruf und seiner Sorge, aus dem man leicht das Seufzen seiner eigenen Seele heraushören kann, wenn er da betet: „Ich bekenne Dir, daß ich in meiner zeitlichen Arbeit und in meinem irdischen Berufe wie ein Sklave und wie ein Gefangener dahin gehe, mich schleppe, oftmals darunter keuche und seufze... Ja, ich bin in meinem Berufe, wie in einem Kerker, aus dem ich keinen Ausgang finde... Es ist ja allerdings Dein Gebot und Wille, daß ich meinem irdischen Beruf und meiner Arbeit nachgehe; aber ich soll meine teuer erkaufte und erlöste Seele nicht in die Bande des Berufes schmieden lassen als wäre ich ein Züchtling... So hilf mir denn, o mein Helfer und laß mir diese meine Reise und leibliche Entfernung von meinem Orte und meiner Werkstatt dazu dienen, daß ich zwischen übermäßiger Sorge und Vergessenheit meines Berufes die rechte Mitte einer freien Seele finde“ etc., oder an das Gebet um Freude an der Creatur Gottes, die, obwol der Eitelkeit unterthan, dennoch vom Ysop bis zur Ceder eine Offenbarung Seines unsichtbaren Wesens, Seiner ewigen Kraft und Gottheit und ein Widerschein der ewigen und geistlichen Welt ist. Dem entsprechend galt, wenn er reiste, sein


  1. Löhe wünschte mit diesem Buch eine Lücke in der ascetischen Literatur unsrer Kirche auszufüllen.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/312&oldid=- (Version vom 1.8.2018)