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Paramentik.


 Zur Diakonissenbildung, wie zur weiblichen Bildung überhaupt, rechnete Löhe auch die Pflege des Schönheitssinns und weiblicher Kunstfertigkeit, als deren würdigstes Ziel ihm die Arbeit für den Schmuck des Heiligtums galt. Schon frühzeitig wurde daher ein Unterricht über den Kirchenschmuck in den Lehrplan der Diakonissenschule eingefügt, und im Jahre 1858 ein Paramentenverein gegründet. „Nichts ist eitler – sagt Löhe in seinem Bericht hierüber – als die gewöhnlichen, sog. feineren weiblichen Arbeiten. Wer jemals Arbeiten der früheren Zeit gesehen hat, der kann gar nicht einen Augenblick anstehen und zweifeln, welcher Zeit er die Palme zu reichen hat, ob der alten oder der neuen. Die alte Zeit wurde aber insonderheit auch dadurch zu der Höhe ihrer Leistung gehoben, weil man höhere Ziele für die weibliche Handarbeit hatte als den puren Schmuck des eignen Leibes. Die Frauen arbeiteten für die Kirchen und ihre heiligen Orte. Es gab daher eine heilige Kunst für Frauen und durch sie ein Mittel, den Schönheitssinn auf andrem Wege auszubilden als auf dem der Eitelkeit und Kleiderhoffahrt.“ Da es an künstlerisch beanlagten Schwestern nicht fehlte, so konnte der neugestiftete Verein bald Früchte seiner Thätigkeit vorlegen. Durch fleißiges Studium und fortgesetzte Übung, sonderlich auch durch den anregenden Einfluß, der von dem begabten Künstler Beck in Herrnhut ausging, hob sich die Kunstfertigkeit der Schwestern allmählich zu der Stufe der Vollendung, die sie gegenwärtig behauptet, und um derentwillen ihre Leistungen allenthalben verdiente Anerkennung finden.

 Löhe hat sich durch seine Anregung und Förderung der Paramentensache ein großes Verdienst um Wiedererweckung des Sinnes für kirchliches Decorum auch in diesen äußern Dingen erworben und kräftig dazu beigetragen, der weitverbreiteten rohen Geschmack- und Formlosigkeit auf diesem Gebiet, die wol gar noch hie und da

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/276&oldid=- (Version vom 1.8.2018)