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war, so verdankte insonderheit die dort geübte Fürsorge für die Blöden Anregung und Ursprung den von Löhe im Bereich seiner Seelsorge gewonnenen Eindrücken und Erfahrungen. Das Mitleid mit einem blöden Knaben, dem einzigen Sohn eines zur Gemeinde Neuendettelsau gehörigen angesehenen Mannes, der immer und immer wieder das Elend seines Kindes dem Seelsorger ans Herz legte, reifte in diesem den Plan, mit dem entstehenden Diakonissenhaus eine Blödenanstalt zu verbinden. Einmal aufmerksam geworden forschte Löhe dem Kretinismus, seiner Verbreitung, seinen Ursachen eifriger nach und war erstaunt, dies Übel namentlich auch auf dem platten Lande viel häufiger zu finden als er dachte und man gemeinhin glaubt. Um so dringender wurde sein Wunsch, dem Elend des Blödsinns diejenige Abhilfe zu schaffen – die einzig mögliche, die in der anstaltlichen Pflege der Blöden liegt. Löhe hat kein Bedürfnis gefühlt, vor Gründung seines Diakonissenhauses andre Diakonissenanstalten zu besuchen. Aber für die Pflege und Behandlung von Blöden wünschte er an fremder Erfahrung zu lernen. Schon im Jahr 1853, also über ein Jahr vor Entstehung der Diakonissenanstalt, machte er mit einigen Amtsbrüdern eine Reise nach Winterbach, um die dortige unter Leitung von Dr. Müller und Landenberger stehende Anstalt zu besuchen. „Ich hatte – schreibt er später – das Glück, dort eine Anzahl von Menschen beisammen zu finden, die sich seit Guggenbühl viel mit Blöden abgegeben hatten und durch meinen Besuch sich besonders getrieben fühlten, von dahin einschlägigen Gegenständen zu reden. Fast in allen dargelegten Erfahrungen glaubte ich meine eigenen wieder zu erkennen, und ich kam schon damals mit Gedanken heim, die mich zu einem Freunde der Blöden machten. Es war mir mit der Stiftung einer Blödenanstalt voller Ernst. Ich fand es ganz der Mühe wert, daß Diakonissen mit ihnen sich abgäben. Es war mir, als müßten solche Diakonissen „der Blöden Lohn“ empfangen

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)