Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/228

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mehr; sie wartet auf die edelste Zukunft, den Tag der Erscheinung Jesu, das Morgenrot jener Welt leuchtet in ihre Seele, sie lebt für die Ewigkeit. Eben deshalb ist sie aber auch der Gegenwart mächtig. Nachdem sie die Arbeit für sich, Mann und Kinder hinter sich hat, arbeitet sie für Christi Glieder und ist fleißig in jenen Werken, nach welchen der Richter aller Welt am jüngsten Tage fragen wird. Sie freut sich alle Tage, die müden Glieder zu ihres Gottes Dienst zu gebrauchen und aus dem Docht ihres Alters eine helle Flamme werden zu lassen, die da predigt von dem Lichte Christus und seiner unaussprechlichen Liebe. Sie wird wieder jung, denn der Geist der Ewigkeit, der in ihr herscht, ist ein jugendlicher Geist; und während auf ihrem Haupt der Mandelbaum blüht, die Haare falb werden, Kräfte und Sinne schwinden, so ist ihr Geist wie ein Vogel,[1] der, wenn er vollends los geworden ist von den Todesbanden, auffliegt zu Gott und den Schaaren derer, die sein warten und ihn einführen wollen unter die Haufen der ewigen Lobsänger.

 Welch ein Lebensglück ist damit der Witwe, der rechten Witwe vorgezeichnet! – Wenn ich mir einen Jüngling, eine Jungfrau in wahrer Schönheit denken soll, so denke ich sie mir sinnend unter dem Kreuze stehen die Augen aufschlagend und mit Begier fragend: Was soll ich Dir, mein Seelenfreund, für Deine Treue geben? So fragt auch Ihr, und bekommt die Antwort: Thut die Werke des Euch befohlenen Berufs – –. Seid unter der Schaar der Dettelsauer Diakonissen diejenigen, welche den Chor anführen; seid unter den würdigen Diakonissen die würdigeren, und zeigt, daß die Apostel und das Altertum Recht gehabt haben, wenn sie vor andern die Witwen zum Diakonissenberuf erwählten. Friede sei mit Euch im Leben und im Sterben! Amen.



  1. Omnis spiritus ales – ein Lieblingswort Löhes.




Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)