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Er pries an ihr nicht blos das Heldentum ihrer Selbst- und Weltentsagung (nach kurzer Ehe in noch sehr jugendlichem Alter zur Witwe geworden, wies sie alle Werbungen um ihre Hand ab, ließ sich zur Diakonissin an der Gemeinde zu Konstantinopel einsegnen und verwandte ihre großen Reichtümer ganz im Dienst der Armen und Elenden), sondern vor allem ihre Treue in der Jüngerschaft ihres großen Hirten und Seelsorgers Chrysostomus, d. h. nicht sowol ihre persönliche Anhänglichkeit an ihn, als vielmehr die Entschiedenheit, mit der sie sich zu ihm und seinem Amte in schwerer Zeit bekannte und die Leiden teilte, die ihn um seines heiligen Eifers willen in Sachen der Zucht trafen. Olympias, die „Märtyrerin des Hirtenamtes“ war ihm in ihrem Verhältnis zu Chrysostomus ein Vorbild der richtigen Stellung des Diakonissentums zum Hirtenamt, d. h. des innigen Anschlusses der Diakonissin an dasselbe, sowie der dabei allerdings unvermeidlichen Teilnahme an den Nöten, Kämpfen und Leiden, die das Zeugnis der Wahrheit und der Eifer um die Zucht von Seiten einer verweltlichten Christenheit auch heutzutage einem treuen Hirten einzutragen pflegt. Die Nutzanwendung von diesen geschichtlichen Erinnerungen lag der damaligen Zuhörerschaft Löhes nicht fern, wenn es auch jetzt vergessen ist, wie die Neuendettelsauer Diakonissenschar namentlich in der ersten Zeit unter der Ungunst, die auf dem Namen ihres Stifters lastete, zu leiden hatte.

 Zum Schluß mögen noch einige Mitteilungen aus einer Rede, die bei der Einsegnung zweier Witwen gehalten wurde, hier Platz finden.

 Eine Witwe – sagte hier Löhe – ist ein Weib, welches nach 1 Cor. 7, 34 die Welt hinter sich hat. Des Weibes Welt und Leben ist der Mann; ist der Mann ihr genommen, so ist sie fertig mit dem Leben. Die Vergangenheit liegt für sie da hinten. Desto herrlicher tritt ihr die Zukunft entgegen. Zwischen ihre Vergangenheit und Zukunft drängt sich keine irdische Hoffnung

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)