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wegen der neuen Bettelordnung“ aus dem Jahr 1626 wurde gezeigt, wie das Armenwesen damals auf göttlicher Grundlage geordnet war, und wie trotz der Verquickung geistlichen und weltlichen Regiments der richtige Grundsatz von der notwendigen Freiwilligkeit[1] aller Barmherzigkeitsübung, sowie der Vorzug der öffentlichen (gemeindlichen) vor der Privatwohlthätigkeit auch bei unsern Vätern schon anerkannt war.

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 Als ein Mangel jener alten Ordnungen, dessen Zusammenhang mit der Gestaltung des Kirchenregiments in der lutherischen Kirche zu Tage liegt, wurde es bezeichnet, daß die Übung der Barmherzigkeit von ihnen zu sehr von der Würdigkeit der Armen abhängig gemacht wird, und daß man für „die faulen Streuner und fremden Bettler“, für „das Lumpenvolk“ nichts Besseres als den Stab des Bettelvogts zu stiften gewußt hat. Hier sei die neuere Zeit auf besserem Wege. Trotzdem aber sei nicht zu vergessen, daß die Kirche der Reformation, so sehr es ihr bis auf Spener und Francke an Anstalten und hervortretenden Werken der Barmherzigkeit gemangelt habe, da weder aus der von ihr angestrebten Wiedererweckung des Diakonats noch aus den von ihr ins Leben gerufenen Armen- oder Gemeindekästen etwas Rechtes wurde, doch der christlichen Barmherzigkeit den größten Dienst damit geleistet habe, daß sie die Werke zum Glauben ins richtige Verhältnis setzte, und die falsche Lehre von einem menschlichen Verdienst, welches auf die Seligkeit Einfluß haben könnte, überhaupt alle falschen Bestrebungen der Werkthätigkeit durch ihre schriftmäßige Definition des guten Werks zurückwies. Dies bleibt


  1. Der Rat in Nürnberg ordnete damals an, „daß acht gewisse Bürger zu den Büchsen erkiest und bestellt werden sollten, die in den acht Vierteln der Stadt das Almosen an einem Freitag von Haus zu Haus sammeln, und daß ein jeder Bürger was er geben solle, selbst oder durch die Seinigen in die dazu verordneten Büchsen einstoßen solle.“
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/212&oldid=- (Version vom 1.8.2018)