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an der Unsittlichkeit der Armen unüberwindliche Hindernisse, und vollends das von ihr angestrebte Ziel, resp. die von ihr gehegte Hoffnung gänzlicher Beseitigung der Armut ist eine Chimäre. Die katholische Armenpflege glaubt ihr Ziel erreicht, wenn der verkommene Arme anfängt zu beichten; der Anschluß an die Kirche verbürgt zugleich dessen geistliches und leibliches Wohl. Sie vermißt kein Bindeglied zwischen dem Armen und der Kirche, sie hat es in ihren Orden, namentlich den barmherzigen Schwestern, den kleinen Schwestern der Armen etc. Die englische Bibelfrau dagegen, aus dem größten Handelsvolk der neueren Zeit hervorgegangen, geht mit heiligen Schriften hausieren, und wenn sie nur den Armen dahin gebracht hat, sich eine Bibel zu kaufen, oder darauf zu subskribieren, so glaubt sie und ihre Vorstandsdamen, daß die Verbindung zwischen Gott und dem Armen angefangen habe. Was dem Römischen in seiner Armenpflege die Beichte ist, das ist dem Engländer die Bibel, welche die Bibelfrau bringt, und, wo es angeht, auch mit den Armen liest, und so gut sie es versteht, erklärt und anwendet. Dabei ist es ganz englisch, daß die Bibelfrau mit der Bibel hausieren geht, und dabei zugleich Kleidervereine, Bettenvereine etc. in Anregung bringt, und ebenso auf Kleider und Betten, wie auf Bibeln subskribieren läßt. Die Bibel ist ihr die Grundlage aller Armenpflege, aus dem geistlichen Heil folgt das leibliche, aus dem Bibelhandel der wohlthätige Handel mit Kleidern und Betten, mit Haus- und Küchengeräten, die Anleitung zum Theemachen und Suppenkochen, wodurch die Spirituosa bekriegt werden. Der englische Christ ist überall Einer: die Heidenmission und der Welthandel, die innere Mission und ein aus dem Schoß der Barmherzigkeit geborner Handel mit Trödel, Kleidern und Betten – das alles geht bei ihm wohlverträglich zusammen. – Endlich an den alten Armenordnungen unsrer Kirche, beispielsweise an einer Vermahnung an „eine christliche Gemeinde zu Nürnberg

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/211&oldid=- (Version vom 1.8.2018)