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und in ihr einen Spiegel des inneren Menschen mit seinen Eigentümlichkeiten, Fehlern und Tugenden zu sehen, und alles Ernstes behauptete er, daß man auf diesem Wege auch seelsorgerlich auf den Menschen einwirken könne. „Erst wird die Hand und dann, wenn es gelingt, damit auch der Wille und das Gemüt zum Gehorsam geführt, der Sinn für Ordnung, Reinlichkeit und Schönheit geweckt, Auge und Urteil für Schönheit der Formen geschärft und damit der Geschmack gebildet. Wer solche Einwirkung annimmt, kann oft in kurzer Zeit eine schlechte Handschrift bessern, und häufig ist damit auch eine Änderung des Sinnes und Charakters zum Besseren verbunden.“

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 Eine weitere von Löhe herstammende Eigentümlichkeit der Diakonissenschule war die Wertschätzung des Kalenders, an den sich aller Unterricht in der Naturkunde, aber auch die Einführung der Schülerinen in das Kirchenjahr, ja selbst in die Kirchengeschichte (Märtyrergeschichten, Heiligenleben) anschloß. „Der Kalender – sagt Löhe, Hausbuch II, 46 – ist, wenn man den stehenden Teil ansieht, eine Schrift, die nicht wol ihres Gleichen hat. Natur und Gnade erscheinen in demselben in der innigsten Vereinigung. Sonne, Mond und Sterne, ihr Auf- und Niedergang, ihr Lauf, Tage, Wochen, Monden und das Jahr, Aufgang, Dauer und Ziel derselben finden sich darin verzeichnet. Neben diesen Zeichen erscheint aber in demselben auch der Jahreslauf unsrer geistlichen Sonne: die Feste Christi und seine Sonntage mit ihren Texten, und überdies neben der Zahl jedes Monatstages der Name des Heiligen und Helden Gottes, dessen man gedenken soll. Ein alter Landmann, dessen Kindern der Seelsorger (eben Löhe) riet, neben der heiligen Schrift zuweilen auch ein anderes gutes Buch zu lesen, holte bei dieser Gelegenheit den Kalender von der Thür, schlug ihn auf, legte ihn wohlgefällig auf seine Hand und sagte: „Ich meine, die Jugend solle vor andern Büchern den Kalender

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)