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unterrichtet. Sie besuchten unter Aufsicht des Arztes und Seelsorgers die Kranken in der Gemeinde und pflegten sie nach Bedürfnis, und versammelten sich in wöchentlichen Abendstunden bei dem Seelsorger, um mit ihm über die geistliche Behandlung der vorhandenen einzelnen Kranken sich zu verständigen. Aber auch in dieser zweiten Hälfte des Semesters gieng der Unterricht der Diakonissenschülerinen nicht in der puren Anweisung zur Berufsführung auf. Mit Rücksicht auf die zur eignen Ausbildung im Diakonissenhause sich aufhaltenden Schülerinen wurde auch noch manch anderer Unterricht, z. B. in biblischer Geschichte und Einleitung, Kirchengeschichte, lutherischer Symbolik und Glaubenslehre, über den Kalender, deutsche Sprach- und Stillehre etc., bis herab zum Schönschreiben, gegeben, woran auch die eigentlichen Diakonissenschülerinen während der Dauer ihres Aufenthaltes im Hause teilnahmen.

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 Aller Unterricht im Diakonissenhause (außer dem ärztlichen und musikalischen) wurde in den ersten Semestern von Löhe selbst erteilt, der dabei „ganz der Meinung war, die Lehrerinen zukünftiger Geschlechter zu begeistern und ihnen Ideen an die Hand zu geben, die selige Frucht tragen sollten.“ Die Diktate und Nachschreibungen aus jener Zeit bilden, ob auch mannigfach ausgebaut und erweitert, noch heute die Grundlage alles Unterrichts im Diakonissenhause, der eben dadurch seinen einheitlichen Charakter und sein eigentümliches Gepräge erhielt. So war es z. B. gewiß ein origineller Gedanke Löhes, das Schönschreiben (er selbst schrieb bekanntlich eine außerordentlich schöne Handschrift) als eine Tugend, als ein treffliches Mittel für Erziehung und Seelsorge, als eine Schule, in der nicht blos der Sinn für Ordnung, Reinlichkeit und Schönheit geweckt, und der Geschmack gebildet, sondern auch der Wille zum Gehorsam geführt werde, zu betrachten und als solche zu behandeln. Fast war er geneigt, den bekannten Satz Buffons: Le style c’est l’homme auf die Handschrift anzuwenden

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/205&oldid=- (Version vom 1.8.2018)