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nicht das Vertrauen auf eigne Werke, sondern neben einem gewaltigen Heiligungsernst eine wahrhaft innige Liebe zu Jesu als das eigentliche Motiv und die Kraft ihrer Frömmigkeit hervortrete. Gewiß unterschied Löhe zwischen den Märtyrern und Bekennern der Heldenzeit der christlichen Kirche in den ersten Jahrhunderten und den Heiligen der späteren Zeiten, jene – sagte er – schienen uns mehr anzugehören, bei diesen hätten wir mehr zu überwinden, die Lebensläufe der ersteren glichen den frischen Blumen des Feldes, die der letzteren den getrockneten Pflanzen des Herbariums; doch aber überwinde bei beiden Klassen das Gemeinsame und Gleichartige die Verschiedenheiten; denn wie einesteils nicht zu leugnen sei, daß „die Pfade selbsterwählter Heiligung bis weit hinauf in die ersten Jahrhunderte reichten, so sei es doch auch umgekehrt wahr, daß von jenen uralten Zeiten bis tief in das Mittelalter hinein ein Strom des Glaubens und der Liebe zu Jesu Christo sich erstrecke, den man deshalb nicht verleugnen oder gar ableugnen dürfe, weil er sich durch so viele fremdartige, ja wol auch giftige und verwerfliche Pflanzen und Gewächse dahin drängen müße.“

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 Uns scheint, daß Erwägungen wie die vorstehenden vielen Anstoß, den das Buch erregte, heben können. Zuzugeben ist ja, daß vereinzelte Äußerungen in demselben sich finden (wie z. B. in dem Leben der h. Paula), die einer Retraktation bedürften. Doch nicht sowol diese Einzelheiten, als vielmehr der Gesammtcharakter des Buchs, die ganze Stellung, die der Verfasser in demselben zu dem kirchlichen Altertum, seinen Lebensformen und Anschauungen einnahm, war es was den Widerspruch der Gegner „vom Standpunkt des evangelischen Bewußtseins aus“ herausforderte. Es ist aber erlaubt zu zweifeln, ob alles was damals und heute als echt protestantische Anschauung sich gibt, so einfach und durchweg mit der evangelisch-schriftmäßigen Wahrheit sich deckt. Löhe bestritt es. Wenn er den Grund der Differenz zwischen ihm und seinen Gegnern

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/200&oldid=- (Version vom 1.8.2018)