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sei unverhindert dem HErrn zu dienen. – Es ist zuweilen gesagt worden, daß durch den Gegensatz gegen die herschenden protestantischen Anschauungen über Ehe und Ehelosigkeit, nach welchen die Ehe die einzige Form weiblichen Lebensberufes, das Leben im ehelosen Stand als ein verfehltes, als ein Unglück betrachtet zu werden pflegt, Löhe sich hie und da zu Äußerungen treiben ließ, die manchem als „harte Rede“ erschienen, auch über die Linie des richtigen Maßes hinausgiengen, bei denen er aber gewißlich nicht die Absicht hatte, der Ehe als göttlicher Stiftung zu nahe zu treten, die vielmehr nur der „gemeinen Auffassung und Führung der Ehe“ galten, von der, wie er klagte, leider die Welt voll sei. Es war Wahrheit, wenn er in seiner Verteidigung auf die Angriffe gegen die Rosenmonate sagte: ihm sei eine Wahrheit des göttlichen Worts so teuer als die andere, er schäme sich nicht, je nach Umständen, für die Freiheit zur Linken und zur Rechten (für die Freiheit des Gebrauchs wie der Entsagung auf dem Gebiet des Erlaubten) zu eifern; er freue sich, wenn er ledigen unbescholtenen Bräuten seiner Pfarrei den Ehrenkranz reichen dürfe; aber mit derselben Freude würde er auch sterbenden Diakonissen die Krone eines glücklichen, jungfräulichen Lebens aufsetzen.

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 Daß den Diakonissenstand aus innerem Triebe als Lebensberuf wählen sich für den ehelosen Stand entscheiden heiße, verhehlte er nicht, aber dieser Entschluß sollte zu jeder Zeit Sache des frei sich bestimmenden Willens sein; deshalb schloß sich Löhe der Praxis anderer Diakonissenhäuser, welche die Freiheit ihrer Diakonissen bezüglich des Ehelichwerdens wenigstens für einen bestimmten Zeitraum durch eine Art Gelübde auf Zeit binden, grundsätzlich nicht an. Er ersetzte dieses Gelübde durch das jedenfalls evangelischere Versprechen der Aufrichtigkeit, wodurch die Diakonissin sich verpflichtete, jede wahrgenommene Annäherung eines Mannes, die auf die Absicht einer Werbung um ihre Hand schließen

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/195&oldid=- (Version vom 1.8.2018)