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 Gerne rief Löhe auch seinen Diakonissen ein fast evangelisch klingendes Wort des h. Bonaventura ins Gedächtnis: „Eine vollkommene und beständige Treue im Kleinen ist eine heroische Tugend.“ „Es ist – sagte er einmal in Ausführung dieses Gedankens – zwar eine verborgene Christenherrlichkeit, Treue im Kleinen, d. h. im Berufe üben, aber sie ist schwerer und herrlicher als Märtyrertum. Zum Märtyrertum hilft eine aufgeregte Zeit, ein bewegtes Gemüt, und es ist oft schnell gewonnen; es kostet einen kurzen Todesaugenblick. Bei der Treue im Kleinen aber trägt man die stille Langeweile eines einförmig ablaufenden Lebens geduldig, zum Preis des HErrn (bis ans Ende).“

 Aus dieser persönlichen Stellung zu dem HErrn fließend, ja mit ihr bereits gegeben ist jene barmherzige Liebe, welche die Seele des Diakonissenberufes ist, und ohne welche alle Diakonissenwerke tote Werke in Gottes Augen sind. Die Barmherzigkeit zu preisen, Sinn und Eifer für diese große Christen- und Diakonissentugend zu wecken war Löhe unermüdlich und unerschöpflich. Wir müssen uns hier mit einem Hinweis auf sein Schriftchen „von der Barmherzigkeit“ begnügen, in welchem er die ganze Geschichte des Reiches Gottes unter dem Gesichtspunkt der mit der göttlichen Gerechtigkeit ringenden Barmherzigkeit betrachtet und (mit seinen eigenen Worten in einer Predigt zu reden) nachweist, „wie durch die ganze Geschichte neben dem roten Faden der göttlichen Gerechtigkeit der blaue Faden seiner Barmherzigkeit läuft, bis auf dem Höhepunkt aller Geschichte, auf Golgatha, beide Fäden zusammenfließen und sich in Eins verweben, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sich nicht blos ausgleicht, sondern die Barmherzigkeit den Sieg und den Ruhm wider und über die Gerechtigkeit behält für immer und ewig.“ Man kann aus jenem Schriftchen nicht wol einen Auszug geben; dafür sei es uns gestattet, einen kleinen Abschnitt aus einem Diktat Löhes „von der seligen Übung der Barmherzigkeit“ hier mitzuteilen.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)