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Die Diakonissenanstalt erwuchs so rasch zu selbständiger Bedeutung und überflügelte den Verein für weibliche Diakonie in solchem Maße, daß wir für den weiteren Verlauf unserer Erzählung von letzterem vollständig absehen dürfen, da die Entwicklung des Diakonissenhauses ausschließlich Aufmerksamkeit und Interesse des Betrachters fesselt.

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 Die Gründung eines Diakonissenhauses (oder eigentlich mehrerer kleinerer Diakonissenhäuser) war ja, als Mittel zum Zweck, von Anfang an ins Auge gefaßt worden. Aber auch hier erfuhr die ursprüngliche Idee durch die thatsächliche Entwicklung eine wesentliche Umbildung. Nicht ein Mutterhaus, nicht eine Diakonissengenossenschaft, nicht eine evangelische Nachbildung des römischen Ordens der barmherzigen Schwestern war es, was Löhe eigentlich wollte, sondern (wie er selbst sagt) „etwas weit Einfacheres und Volksmäßigeres,“ etwas, das sich näher mit dem altkirchlichen Gemeindediakonissentum berührte. „Uns lag (sagt er) wie bei dem Vereine für weibliche Diakonie, so auch bei den (beabsichtigten) Diakonissenanstalten die weibliche Jugend des platten Landes und deren Ausbildung für die Werke der Barmherzigkeit im Sinn. Unsere Leute, für unsere eigenen nächsten Bedürfnisse, wollten wir heranbilden. Nicht für immer, sondern nur einstweilen wollten wir uns in Neuendettelsau selbst festsetzen und mit einer kleinen Anstalt für weibliche Angefochtene und einer anderen für schwachsinnige Kinder den Anfang zu einer Thätigkeit suchen, die auf kurzem Weg unserem eigenen Volke zu Nutz und Dienst kommen sollte.“ Also eine Bildungsanstalt, in welcher die Töchter vom Land, sonderlich diejenigen aus dem weiblichen Mittelstande, einen theoretischen und praktischen Instruktionskursus in Krankenpflege und sonstiger Diakonissenarbeit durchmachen und aus welcher sie neben dem Gewinn einer gewissen allgemeinen Bildung auch Sinn und geschulte Tüchtigkeit für die Werke der Barmherzigkeit in ihre

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/159&oldid=- (Version vom 1.8.2018)