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 Da ist’s also offenbar, was der Apostel läßt, um der Auferstehung der Toten entgegen zu gehen. Er löst sich los von allem nationalen jüdischen Hochmut und begreift es ganz, daß das Judentum nicht das Ziel ist, wohin der HErr sein Volk hat führen wollen, sondern Christus Jesus ist das Ziel, Er der Stifter des Neuen Testamentes, in welchem das Alte Testament zu Grabe geht, um in ewig jungem Wesen aufzustehen. Da zieht Paulus aus seine Unsträflichkeit und seinen Eifer und die Sekte der Pharisäer und die Abstammung von Benjamin und Israel und die Beschneidung und all seine Hülle und Fülle und springt nackt und bloß hinein ins Wasser der Taufe, auf daß er Christum gewinne und in Ihm erfunden werde, und taucht auf in der glänzenden Gerechtigkeit des Glaubens; die Kraft der Auferstehung Jesu Christi ist in ihm; Seele und Leib sind wiedergeboren zum unvergänglichen und unverwelklichen Leben der Ewigkeit.

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 Da seht ihrs also klar und öffentlich, wie St. Paulus der Auferstehung der Toten entgegenkommt. Die größten angeerbten, samt allen mit Mühe und Fleiß erworbenen, Vorzüge seines Lebens wirft er weg; von der Bahn des stolzen, seines eigenen Zieles unbewußten Judentums tritt er ab; der Gekreuzigte auf Golgatha wird sein Schatz, sein Reichtum, das Thema einer endlos fortschreitenden Erkenntnis, der Gegenstand eines grenzenlosen Vertrauens, der leuchtende Ersatz für alle eigene Gerechtigkeit, die unumstößliche Zuversicht der Auferstehung und des ewigen Lebens; und die namenlose Schmach und Tiefe Seiner Leiden am Kreuz ein so mächtiger Anziehungspunkt für seine Seele, daß er vor allen Dingen nur will haben die Gemeinschaft dieser Leiden, ihren Segen, ihr Verdienst, und dann gern in jedem möglichen Sinne dem Toten am Kreuz, dem Jammerbilde ohnegleichen, selbst leidend und sterbend gleichförmig werden. Kurz: „In Ihm alles thun und alles lassen, in Ihm leben und in Ihm erblassen,“ das ist der

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)