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 Das Verhältnis zur Missourisynode und (was Löhe noch schmerzlicher empfand und lebenslänglich nicht verschmerzte) auch zu den fränkischen Kolonien war hiermit gelöst. Auch das persönliche Band der Liebe und Dankbarkeit, welches Löhes zahlreiche Schüler innerhalb der Missourisynode mit ihrem geistlichen Vater hätte verknüpfen sollen, schien zerrissen zu sein. Wenigstens Beweis und fühlbare Bestätigung etwa in den Herzen noch fortlebenden Zusammenhangs wurde nicht gegeben. Entweder war ein solcher nicht mehr vorhanden oder durfte sich doch nicht an die Öffentlichkeit wagen.

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 Unter diesen Umständen konnte die im Jahre 1857 hervortretende neue Meinungsverschiedenheit in der Lehre von den letzten Dingen die Kluft zwischen Löhe und seinen ehemaligen missourischen Freunden kaum mehr erweitern, höchstens letztere in ihrem Urteil bestärken, daß Löhe von dem Glauben der lutherischen Kirche abgefallen sei. Hatte man ja dort schon wegen der Differenz in der Lehre vom heiligen Amt die Frage aufgeworfen, ob noch Abendmahlsgemeinschaft zwischen Missouri und Löhe und den Seinen bestehen könne. Hatten doch die beiden kirchlichen Zeitschriften der Missourisynode (der „Lutheraner“ und „Lehre und Wehre“) bereits im Jahr 1855 gefunden, daß „zwischen Löhes Stellung zu den Symbolen und der eines Rationalisten nur ein gradueller, kein specifischer Unterschied sei.“ Die vermeintliche neue Lehrabweichung Löhes von den Symbolen, sein sog. Chiliasmus, konnte dieses längst feststehende Urteil der Missourisynode natürlich nur bestätigen. Mit diesem Chiliasmus verhielt es sich aber so. Löhe, dessen Vertrauen in die Schriftmäßigkeit der in der lutherischen Kirche herrschenden spiritualisierenden Ausdeutung der biblischen Hoffnungslehre schon länger erschüttert war, war durch eifriges Studium des prophetischen Worts, wohl auch durch gleichzeitige Bekanntschaft mit einigen bedeutenden irvingianischen Büchern zu einer realistischeren

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)