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9. Verschiedene Bedeutung des Beicht- und Parochialverbands in der Kirche und für sie.

 Im Parochialverband ist ein Princip der Stätigkeit, im Beichtverband ein Princip der Beweglichkeit.

 Dort sondern sich die Herden zu ihrem Heile ins kleine, durch die Freiheit des Beichtens und Abendmahlsgehens reichen sich die einzelnen orthodoxen Gemeinden die Hand, werden sich ihrer Zusammengehörigkeit bewußt.

 Eine Landeskirche mit allzusehr eingeengtem Beichtverhältnis pflegt die Lehre von der Einheit aller rechtgläubigen Kirchen nicht, wie sie sollte, und kommt in Gefahr, romanisierend das Einheits-Bewußtsein mehr durch Einheit des Kirchenregiments, als durch die Lebensgemeinschaft in Wort und Sakrament zu repräsentieren.

 Eine Landeskirche, welche Beicht- und Parochialverhältnis identisch faßt, jenes in dieses aufgehen läßt, trägt zum Stagnieren (zur Versumpfung) ihres großen Ganzen bei, – schafft böse Gewissen für die, welche in der Zeit des Stagnierens aller Zustände den Drang der Gemeinschaft mit denen fühlen, die noch leben oder neubelebt in der


    was ihm gut dünkt. (Pertsch 413.) Da fällt das Ansehen eines Parochus und die Heiligkeit des Parochialverbands. Bei uns aber sind alle Presbyteren gleich, alle Gemeinden gleichen Rechtes, alle geistliche Gewalt stammt von dem ordentlichen Beruf; – alles Kirchenregiment steigt aus dem Schoß frei vereinigter Gemeinden und aus dem Begriff der Ordnung empor: es gibt keine geistliche Obrigkeit in dem Sinn, wie es weltliche Obrigkeit gibt, nämlich keine über den Hirten der Herde, den Presbyter hinaus. Da muß das Parochialverhältnis um so heiliger gehalten werden. Da gehört eine Überzeugung von der Rechtgläubigkeit und richtigen Sakramentsverwaltung in anderen Gemeinden, von der konfessionellen Zusammengehörigkeit dazu, um sagen zu können: wir sind überall daheim – in der Parochie und da und dort in fernen und nahen Orten. Das Parochialverhältnis (Episkopat im Neutest. Sinn) ist das einzige göttliche kirchenregimentliche Verhältnis, – alles übrige Kirchenregiment ist, wo nicht Gewalt für Recht ergeht, die Ausübung gegebenen Auftrags mehrerer oder vieler frei vereinigter Gemeinden, ist de jure humano (menschliche Einrichtung). Das wird richtig sein, so lang die Göttlichkeit des Episkopats im nachapostolischen Sinn nicht zugegeben werden kann.

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 569. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/575&oldid=- (Version vom 1.8.2018)