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Begriff; so würden wir mit einer Verpflichtung auf die Artikel des christlichen Glaubens, wie sie vor Zeiten bestanden hat, ganz zufrieden sein. Da aber jenes nicht der Fall ist, so halten wir einen verdeutlichenden Beisatz für um so nötiger, als auch die gegenwärtige Lehrpraxis uns solches unabweisbar zu gebieten scheint. Früher war Glaubens- und Sittenlehre nicht getrennt, man faßte deshalb unter dem Namen „Glaubensartikel“ auch die Dogmen der Ethik zusammen. Nun aber ist die Scheidung von Dogmatik und Ethik bis in die Dorfschule durchgedrungen, und man versteht unter „Glaubensartikel“ nicht mehr wie früher auch die ethischen Dogmen. Deshalb hielten wir es für kein eigentliches novum, wenn bei etwaiger Abfassung einer neuen Verpflichtungsformel auf Anerkennung der „in sämtlichen Symbolen enthaltenen Artikel der christlichen Glaubens- und Sittenlehre“ gedrungen würde. Jede Verpflichtungsformel findet ihre dringende Veranlassung und völlige Berechtigung in der Unverläßlichkeit menschlicher Geister und Gemüter. Je bestimmter sie ist, desto mehr verschwindet das Mißtrauen, desto mehr entspricht sie ihrer Bestimmung, eine menschliche Garantie für das arme Volk zu sein, daß nicht mancherlei subjektive Meinung und Lehre, sondern die eine reine Lehre der Kirche ihm werde geboten werden.

 Das königliche Oberkonsistorium erkennt gewiß die Einfalt unseres Verlangens. Vielleicht werden wir nicht bloß mit unserer Bitte um Verpflichtung überhaupt, sondern auch darin erhört, daß die Verpflichtungsformel jede Deutung, als sollte bloß auf die Glaubensartikel in modernem Sinn, d. h. auf einen Teil der Lehrartikel unserer Symbole verpflichtet werden, recht offenbar ausschlösse.

 Es werden übrigens viele gar nicht glauben, daß eine Garantie für die reine Lehre gegeben sei, so lange nicht auch die bereits im Amte stehenden Geistlichen zur Anerkennung der Verbindlichkeit der Verpflichtungsformel auch für sie gebracht werden. Man kann die Wahrheit einer solchen Behauptung nicht in Abrede stellen, doch soll es, wenn wir nicht um nachträgliche Verpflichtung der im Amte stehenden Geistlichen bitten, nicht Inkonsequenz genannt werden, da wir es bloß aus

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/554&oldid=- (Version vom 1.8.2018)