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geworfen wurden, trug das Kirchenregiment keine Schuld. Seine Erlasse waren bloß an die Geistlichkeit gerichtet und waren nur durch eine verräterische Indiskretion in die Öffentlichkeit der Presse gelangt, wo sie erst in auswärtigen, dann auch in bayerischen Blättern erschienen. Von Nürnberg aus, wo der „Fränkische Kourier“ in die Lärmtrompete stieß, verbreitete sich die Aufregung in andere Städte und auch auf das flache Land. Eine Monstreadresse, von 7000 Unterschriften bedeckt, gieng an den König ab, in welcher die (!) evangelisch-lutherischen Einwohner der Stadt Nürnberg „wegen Verletzung ihrer verfassungsmäßigen und kirchlichen Rechte durch Übergriffe der geistlichen Gewalt“ Beschwerde führten, und von dem katholischen Summepiskopus nicht allein Sistierung der jüngsten kirchlichen Erlasse, sondern auch Zurücknahme der von der Generalsynode von 1853 beschlossenen und von dem König erst wenige Monate vorher sanktionierten kirchlichen Ordnungen und schließlich die Beseitigung des gegenwärtigen Kirchenregiments verlangten. Andere Städte, wie Augsburg, München, folgten dem Vorgang Nürnbergs. Die Lokalpresse bemächtigte sich des willkommenen Agitationsmittels und brachte jene aus ähnlichen gesinnungstüchtigen Agitationen des „protestantischen Volks“ bekannten Blüten des Unsinns hervor, an welchen Unwissenheit und Bosheit gleichen Anteil zu haben pflegen.

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 Die Aufregung war eine hochgradige und eine Weile schien auch die Stellung des Oberkonsistoriums ernstlich erschüttert, und zwar um so mehr, als die Bescheidung der Adressen und damit auch die folgenschwere Entscheidung über die Zukunft der lutherischen Kirche in Bayern in den Händen von Männern lag, die der katholischen Kirche angehörten und bei welchen daher wenig Verständnis für die Lebensinteressen der lutherischen Kirche vorauszusetzen war. Indessen der König, obwohl Katholik, beurteilte die Sachlage richtiger als viele seiner protestantischen Unterthanen, indem er erkannte,

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/441&oldid=- (Version vom 1.8.2018)