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 Es ist nach dem Gesagten schwer zu begreifen, wie jene durch unvermeidliche Umstände herbeigeführten, ausnahmsweisen Verhältnisse, welche weder den Rechts- und Lehrbestand der lutherischen Kirche, noch überhaupt ihre konfessionelle Eigentümlichkeit im mindesten alterieren können, für die Gewissen Einzelner in der Art beschwerend sein sollten, daß sie zum Austritt aus der Landeskirche und zur Separation von ihr gebieterisch hindrängen müßten. Die Gewissensnot, welche die Bittsteller bezeichnen, wurzelt einesteils in einer irrtümlichen Auffassung der bestehenden Verhältnisse, andernteils in einer Verkennung des verfassungsmäßigen und kirchenregimentlichen Standes, in welchem sich die lutherische Kirche in Bayern befindet.

 Diese irrtümliche Auffassung und die Verkennung des rechten Standpunktes hat bereits Verwirrung der Gewissen, Mißtrauen und Beunruhigung in einzelnen Gemeinden, Verdächtigung wohlgesinnter, bekenntnistreuer Geistlichen, Verdächtigung sogar der ganzen Landeskirche nach außen zur Folge gehabt. Das kirchliche Regiment hat den fühlbaren Schaden, welcher daraus der Kirche erwuchs, mit großem Bedauern wahrgenommen und sieht sich nun dringend verpflichtet, an die Bittsteller die ernste und väterliche Ermahnung zu richten, in Erwägung der dargelegten Verhältnisse von ihrer irrtümlichen Auffassung der obwaltenden Zustände zur rechten Beachtung und Würdigung derselben umzukehren, ihre bisherige Stellung zur Kirche aufzugeben und sich in Treue und Gehorsam wieder mit ihr zu versöhnen, die ihnen von dem Herrn verliehenen Kräfte dem Dienste der Kirche mit voller und freudiger Hingabe zu widmen und unter ernstlichem Gebete vor Gott wohl zu bedenken, wie mahnend die gegenwärtige Zeit zur Einheit und Zusammenhaltung aller Gaben und Kräfte zum besten der vielfach bedrängten Kirche auffordere.

 Die unterfertigte Stelle glaubt sich der Erwartung hingeben zu dürfen, daß sich die Bittsteller diesem väterlichen Worte ihrer Oberen nicht verschließen, sondern daraus Anlaß nehmen werden, die ihnen auf ihren Gewissen liegende Sorge vor dem Angesichte des Herzenskündigers weiter zu prüfen und den Entschluß, den sie fassen wollen, der ernstlichsten Erwägung von neuem zu unterwerfen.

 Das K. Konsistorium hat vorstehende Entschließung den Bittstellern unverzüglich bekannt zu geben.

 München, den 19. September 1851.

Königliches protestantisches Oberkonsistorium
v. Arnold.


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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/382&oldid=- (Version vom 1.8.2018)