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das Oberkonsistorium kann sich um so weniger dazu bewogen finden, als auch bei der genauesten Formulierung mißbräuchliche Deutungen nicht zu vermeiden sind, und es jedenfalls angemessener ist, selbst auf die Gefahr des Mißbrauchs hin dem angehenden Geistlichen Vertrauen zu schenken, als ihm gleich beim Eintritt in seinen heiligen Beruf mit kränkendem Mißtrauen entgegen zu kommen. Das Oberkonsistorium erachtet sich aber für verpflichtet, hiebei ausdrücklich zu erklären, daß es jede andere, als die oben gegebene Deutung der Worte für unzulässig erachtet, und daß es wie bisher schon, keinem Geistlichen gestatten wird, die Lehren der heiligen Schrift bei amtlichen Vorträgen und kirchlichen Handlungen willkürlich nach eigenen Mutmaßungen auszulegen.

II. Ein weiterer Antrag der Generalsynode, dahin gehend, daß das Oberkonsistorium in allen vorkommenden Fällen streng auf die Bekenntnistreue der Pfarrer und Religionslehrer sehen, die Abweichenden belehren, ermahnen, warnen, und bei beharrlichem Widerstande vom Amte entfernen möge, erledigt sich durch das so eben Gesagte von selbst.
III. Aber die kirchliche Lehraufsicht über die Geistlichen ist es nicht allein, deren Übung vom Oberkonsistorium verlangt wird, mehrere der bei der unterfertigten Stelle in Vorlage gebrachten Eingaben wollen auch den Gemeinden gegenüber eine Lehrzucht in Einführung bringen. Sie beantragen demnach, zum Teil unter den herabwürdigendsten Ausfällen gegen das von der Generalsynode in dieser Sache beobachtete Verfahren, eine von dem obersten Kirchenregimente ausgehende, von den Kanzeln zu verkündigende förmliche und feierliche Exkommunikation der Unterzeichner der bei der letzten Generalsynode eingekommenen oben erwähnten Adresse, so wie überhaupt aller offenbaren Verächter der Grundlehren des Evangeliums, so fern sie nicht widerrufen und ihre Sinnesänderung reumütig bekannt haben. Mit diesem Antrage wird nicht der sogenannte kleinere Bann, welcher in der Ausschließung von der Absolution und von dem heiligen Abendmahle besteht, sondern der sogenannte größere Bann oder die eigentliche Exkommunikation, mithin eine Ausschließung von der Gemeinschaft der Kirche, verlangt. Diese Exkommunikation soll vollzogen werden nicht bloß an einzelnen Individuen, sondern an ganzen Massen; nicht an offenbar lasterhaften, durch ihren anstößigen Lebenswandel Ärgernis gebenden Personen, sondern an solchen, die hinsichtlich der Lehre irre geleitet sind und dem kirchlichen Bekenntnisse widersprechen; nicht nach vorgängiger Anwendung der altkirchlichen, von den Reformatoren auf Grund der heiligen Schrift ausdrücklich verlangten Warnungs-
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/356&oldid=- (Version vom 1.8.2018)