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Errungenschaften. Die Aussicht, daß die Gottlosen wider ihren Willen zur Beseitigung beengender Fesseln der Kirche beitragen würden und daß in Folge der dann eintretenden Sichtung Raum für eine würdigere Gestaltung der Kirche geschafft werden könnte, erfüllte ihn, bei sonst trübem Blick in die Zukunft, doch mit Mut und froher Zuversicht. Aber freilich die treibenden Kräfte dieser Bewegung galten ihm im tiefsten Grunde für antichristisch. Er sah in den Stürmen des Jahres 1848 ein Gottesgericht über die Könige, die so lange Israel sündigen gemacht hätten, aber auch ein Gottesgericht über die Völker, über die der HErr in Seinem Zorn einen Geist des Taumels ausgegossen habe, um sie reif zu machen für den Tag seiner Heimsuchung. Daß man in Auflehnung gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit Besserung der wirtschaftlichen und bürgerlichen Verhältnisse ertrotzen und erzwingen wollte, war ihm ein Gräuel. Daher betonte er mächtiger denn je seiner Gemeinde gegenüber die Christenpflicht des Gehorsams gegen die Obrigkeit und drang darauf, daß dieselbe ihre Wünsche und Beschwerden auf geordnetem Wege ihrer Herrschaft vorlegte. Löhe war – dies möchten wir hier bemerken – kein Anhänger des Legitimitätsprincips. „Das Princip der Legitimität, meinte er, sei unter Umständen ein revolutionäres Princip. Es gebe im eigentlichen Sinne nur Ein legitimes Herrscherhaus, in dem die Thronfolge göttlich garantiert gewesen sei: die davidische Dynastie. Bezüglich aller übrigen Regenten gelte das Wort: Daniel 2, 21; 4, 29 etc. Daher fasse sich für die Kirche die Summe ihrer staatlichen Pflichten in das Gebot der ‚Unterordnung unter die factisch bestehende obrigkeitliche Gewalt‘ zusammen.“ Auch war Löhe kein starrer Conservativer im Sinne derjenigen, welche das Bestehende, als wäre es keiner Verbesserung bedürftig oder fähig, um jeden Preis erhalten wollen. Er wünschte ein vernünftiges

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/254&oldid=- (Version vom 1.8.2018)