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Kissen zu laufen anfängt, und gewahrt, daß es seine Patientin sei. Die Dirne war in den Taubenschlag geraten und hatte sich von da kopfabwärts herunter gestürzt, ohne sich nur einen Finger verstaucht oder eine Beule geschlagen zu haben. Sie wurde nun sicherer verwahrt, allein schon am anderen Morgen war sie spurlos verschwunden. Alles suchte, bis man sie endlich gegen Mittag in dem Backofen unter dem Herd, in dem gerade vier Laibe Brot gebacken werden konnten, versteckt fand. Löhe sah ein, daß er diese Person nicht im Haus behalten könne. Die Kranke wurde deshalb in einer Familie des Ortes untergebracht, in welcher eine kranke Tochter war und ein alter Vater, die beide immer zu Hause und im Zimmer sein mußten. Der Vater hatte versprochen, Benigna (so hieß das Mädchen) zu beaufsichtigen und sie am Abend zum Gebetläuten in’s Pfarrhaus zu bringen. Am ersten Tag war es leidlich mit ihr gegangen, aber schon am zweiten Tag kam der alte Mann zitternd vor Aufregung zu Löhe und sagte ihm, daß er Benigna diesen Morgen schon vermißt, aber doch bald in der Krautkufe sie wiedergefunden habe; jetzt fehle sie aber schon wieder seit dem Mittagessen und es sei kein Ort und Winkel in seinem Haus, den er nicht durchsucht habe, ohne sie finden zu können. „Das kann ich Ihnen sagen, Herr Pfarrer“, meinte der alte Mann, „ lieber will ich einen Metzen F.... hüten als diese Person.“ Löhe beruhigte den Mann und versprach ihm, ihren Angehörigen zu schreiben, damit diese sie wieder holten. Als er auf dem Rückweg seines Hauses ansichtig wird, was muß er sehen? Die Vermißte sitzt rittlings oben auf dem First seines Daches und betrachtet sich von diesem erhöhten Standpunkt aus die Welt. Der Mann geht nun, um Leitern anzulegen und sie herunter zu holen, sie wartet anscheinend auch seiner Hilfe, allein wie er eben ansteigt, erhebt

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)