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 Eine Wöchnerin war bald nach der Geburt ihres Kindleins unter heißen Schmerzen gestorben. Während sie mit dem Tode rang, schlief ihr Säugling und ihr älteres Kindlein friedlich neben ihr. Der Ehemann sehnte sich vergebens, von seinem schmerzbetäubten Weibe noch einen Blick, oder ein Abschiedswort zu empfangen, der herbeieilende Vater kam eben nur noch recht zur Einsegnung seiner sterbenden Tochter. – Löhe wählte der an den Folgen ihrer Geburtsarbeit verstorbenen Wöchnerin 1. Sam. 4, 19–22 als Text. Die flüchtige Skizze der Leichenpredigt, die sich in seinen Predigtsammlungen findet, lautet:

 1) Das Weib Pinehas stirbt nach Geburt eines Sohnes und nennt ihn Ikabod. Hin war Vater, Mutter, Ohm, Großvater, Lade, Gottes Huld. Jammervoller Tod – arme Waise.

 2) Hier noch Vater, Großvater, Lade, Huld – also größeres Glück. – Ach jeder meint das Kreuz am schwersten Ende zu tragen!

 3) Nehmet eurer Seelen wahr, daß ihr nicht die Lade und die Huld und damit alles verlieret. Schaffet eure und eurer Kinder Seligkeit. Und Du, o HErr, hilf uns. Amen.

 An einem andern Sterbebette war Löhe der Mangel an aller und jeder Aeußerung inwendigen Lebens von Seite der Kranken schmerzlich aufgefallen. Starr und stumpf gieng sie dem Tod entgegen, ohne ein Bekenntnis ihrer Buße oder ihres Glaubens zu geben. In den letzten beiden Tagen vor dem Tode war ihr auch das Bewußtsein geschwunden, so daß an Stelle der früheren absichtlichen Stummheit nun gezwungenes Schweigen trat und der traurige Eindruck dieses lautlosen Sterbens mit verstärkter Macht dem Seelsorger sich aufdrängte. Löhe nahm davon Veranlassung in der Leichenpredigt auf Grund von Röm. 10, 9. 10 über die Verpflichtung des Christen, der Nachwelt ein gutes Zeugnis von Christo zu

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/195&oldid=- (Version vom 1.8.2018)