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sehen, wird dies begreifen. Die sieghafte Glaubensfreudigkeit, die ihn beseelte und die in seine Gebete und Tröstungen überströmte, hatte namentlich, wenn er selbst durch irgend welchen Umstand besonders ergriffen und gehoben war, etwas Hinreißendes und lieh gar mancher zagenden, ringenden Seele Flügel, um über alles Erdenweh und alle Todesnot sich emporzuschwingen und sterbend Himmelfahrt zu halten. Ein einziges Wort von ihm, im Glauben gesprochen, riß Sterbende oft aus Angst und Furcht des Todes. „Fürchte Dich nicht, ’s ist ja nichts als das bischen Tod“ rief er einmal einer zagenden Seele im Sterben zu. „Der HErr ist nahe“, mit diesen Worten begrüßte er ein andermal eine sterbende Jüngerin, als er gerufen ward, im letzten Stündlein ihr Beistand zu leisten. „Der HErr ist nahe“ wiederholte sie. „Der Bräutigam kommt“ fuhr er fort; wohlauf Ihm entgegen! etc. – Nahten dann die letzten Augenblicke, deren Eintreten sein erfahrenes Auge meist mit großer Sicherheit wahrnahm, dann stimmte er jene majestätischen Sterbegebete der alten Kirche an, das: Dreimal Heilig, das: Gelobt sei, der da kommt im Namen des HErrn etc. Ein Dankgebet für die Vollendung der erlösten Seele, eine Bitte um selige Nachfahrt beschloß solche ernste Feierstunden an Sterbebetten. Natürlich gab es auch oft Sterbebetten, an welchen keine Glorie der Welt und Tod überwindenden Kraft des Glaubens zu sehen war, an welchen der Seelsorger mühseligen und hoffnungsarmen Dienst zu verrichten Hatte. Aber an wie viel andern wurde dagegen das Wort vom „Siech- und Siegbette“ volle greifbare Wahrheit. Wem es vergönnt gewesen wäre, Löhe in den Jahren seiner Kraft an die Sterbebetten seiner Pfarrkinder zu begleiten, der würde außer dem Gewinn für die eigene Seele auch einen Gewinn für seine Amtsführung davongetragen haben, welcher eine ganze Vorlesung über Pastorale aufwiegen dürfte.

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/186&oldid=- (Version vom 1.8.2018)