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gerne: boten sich ihm ja dadurch ungesuchte Gelegenheiten herzlichsten seelsorgerlichen Annahens an seine Pfarrkinder. In Haag war es einmal, daß bei einem Besuch Löhe’s die ganze Krankenstube sich von Müttern füllte, die, ihre Kinder an der Hand oder auf dem Arme, der Communion des Kranken beiwohnten. Nachdem Löhe seinen Dienst am Krankenbette verrichtet hatte, trat er in den Kreis der Mütter und Kinder und sagte: im Evangelium hätten die Mütter ihre Kinder dem HErrn dargebracht mit der Bitte sie zu segnen, so wolle er nun auch als Christi Diener in seines HErrn Namen ihren Kindern die segnenden Hände auflegen. Und so that er denn auch zur Freude der Mütter und zur Erquickung seiner eignen Seele. Bei solchen Umständen wird es begreiflich, wenn Löhe bekannte, daß er seine seligsten Stunden an Sterbebetten seiner Pfarrkinder verlebt habe. Hier, wo die Theilnahme an fremder Not und der Gedanke an die eigne Todesnot manches Zuhörers Herz erweicht hatte, fand das Wort oft besseren Eingang als von der Kanzel herab. Ich erinnere mich eines Falls, wo ein frecher Spötter am Schmerzenslager seines früheren Zechgenossen, eines jetzt todesnahen aber reuigen Sünders, stand und von Löhe’s Gebet und priesterlichem Walten so ergriffen wurde, daß er ihm tiefbewegt die Hand reichte und sagte: „Herr Pfarrer, ich will mich jetzt auch bessern, ich komm bald zu Ihnen.“ Bei diesem blieb es freilich eine bloße Anwandlung einer Felixbuße, aber wie manch Andrer ist doch von solchen Sterbebetten, wo Löhe seines Amtes mit der ihm eignen Kraft und Freudigkeit gewartet hatte, brustschlagend und nachdenklich heimgegangen. Und wie manchesmal durfte Löhe an den Krankenden und Sterbenden selber die Erfahrung machen, daß er seine Säemannsarbeit in Predigt und Unterricht doch nicht umsonst gethan und daß alles Dorngestrüpp der Sünde den edlen Samen nicht zu ersticken vermocht hatte. Die Dettelsauer

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)