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einmal eine Betrachtung über Joh. 16, 16–22 hielt, in welcher er die Auffassung des Todes als einer vorübergehenden Veränderung, gleichsam als des letzten Drucks des kranken Leibes auf die gesunde Seele, als ein Licht bezeichnete, das ihm so hell wie nie zuvor an diesem Sterbebette aufgegangen sei, und mit welchem er noch manchem müden Pilgrim die Todesreise versüßen und zur ewigen Heimat leuchten wolle. Mag dies eine Beispiel statt vieler, die man anführen könnte, unsern Lesern einen, wenn auch dürftigen Eindruck von Löhe’s Gabe und Treue im Dienst an Krankenbetten geben.

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 In den kräftigeren Jahren Löhe’s war es wol eine Seltenheit, daß eines seiner Pfarrkinder starb, ohne daß er ihm im letzten Kampf mit Zuspruch aus Gottes Wort beigestanden und es zum Sterben eingesegnet[1] hätte. Kranke seines Pfarrdorfes besuchte er in jener Zeit wol dreimal und öfter des Tags. Wenn der letzte Kampf einzutreten schien, weilte er oft Stunden lang, gleichviel ob bei Tag oder Nacht, an Sterbelagern seiner Gemeindeglieder. Natürlich beschäftigte er sich während eines solchen längeren Aufenthalts in Krankenzimmern nicht ausschließlich mit dem Kranken, gönnte demselben vielmehr längere oder kürzere Ruhepausen und benützte die Zwischenzeit zu seelsorgerlichen Gesprächen mit den Anwesenden. In der Neuendettelsauer Gemeinde, besonders auf den eingepfarrten Dörfern, bestand die schöne Sitte, daß, wenn der Pfarrer zum Krankenbesuch oder zur Krankencommunion in ein Haus trat, die ganze Nachbarschaft, oft das halbe Dorf im Hause des Kranken sich versammelte. Es zeigt sich in solchen Fällen, daß dem Landmann bei aller äußeren Stumpfheit doch ein teilnehmendes Herz in der Brust schlägt. Löhe sah solche Theilnahme


  1. „Eingebetet“ sagt man in Dettelsau.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/180&oldid=- (Version vom 11.5.2019)